Es sind Schreie der Erleichterung. Der Jubel ist ausgelassen. Die quälenden Momente des Zitterns endlich überstanden. 2:1 besiegt die Schweiz Belgien in diesem so wichtigen Spiel. Der Ausrutscher vom vergangenen Freitag, dieses 1:1 in Kroatien, ist korrigiert.
Die Schweiz übernimmt damit wieder die Tabellenspitze in der Gruppe H der EM-Qualifikation. Zwei Spiele verbleiben, zuerst Ende Oktober in Rumänien. Und dann kommt es am 1. Dezember in Belgien zum Rückspiel. Klar ist: Vier Punkte reichen ganz bestimmt zur direkten Qualifikation für die EM 2022. Vielleicht sogar drei.
Alisha Lehmann leidet in den letzten Minuten auf der Tribüne mit. Wenige Momente nach ihrem wunderbaren Treffer zum 2:0 wurde sie ausgewechselt. Jetzt sagt sie: «Ich war noch selten so nervös wie in diesen Momenten, aber es hat sich gelohnt.» Dass der Erfolg am Ende erdauert ist, kann dem Team von Nils Nielsen egal sein. «Die drei Punkte sind eine enorme Erleichterung, sie nehmen uns viel Druck», sagt Captain Lia Wälti.
Fast 70 Minuten sind gespielt, als die hektische Schlussphase in dieser Partie beginnt. Die Schweizerinnen haben eigentlich alles im Griff. Sie zeigen eine reife Leistung, dominieren Belgien. Doch dann der Schock. Ein Fehlpass von Wälti, Schuss, Tor - und schon steht es nur noch 2:1. Belgien hat plötzlich Aufwind. Die Schweiz braucht Zeit, um den Rückschlag zu verdauen. Fünf Minuten lang wirkt alles konfus, die Souveränität ist weg. Die einfachen Pässe gelingen nicht mehr, das Selbstvertrauen ist wie weggespült im Thuner Regen.
Viola Calligaris, in Kroatien am letzten Freitag mit einem Handbruch ausgeschieden, zittert auf der Tribüne mit, hält es kaum auf ihrem Stuhl aus. Während die Schweizer Kräfte immer mehr schwinden, beginnen die Belgierinnen plötzlich doch noch an ihre Chance zu glauben. Und in den Schreien des Gäste-Trainers, die zuvor nur verzweifelt wirkten, liegt plötzlich der Glaube an einen späten Coup.
Doch die Schweizerinnen retten sich irgendwie ins Ziel. Der Sieg ist ohne Zweifel verdient. Und es braucht sie nicht im geringsten zu kümmern, dass die Belgierinnen nicht ihren besten Tag erwischten. «Wir waren konzentriert, fokussiert und mutig, das hat mir gefallen», sagt Nationaltrainer Nielsen.
Das Spiel begann mit einem starken Zeichen beider Teams. Kurz vor Anpfiff knieten sich Spielerinnen und Schiedsrichterinnen auf den Thuner Rasen. Es war ein gemeinsames Statement gegen Rassismus und Diskriminierung. Der Schweizer Fussballverband schreibt dazu: «Die Botschaft hinter dieser Aktion lautet: Wir wollen zeigen, dass niemals jemand wegen seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Rasse, seiner Sexualität oder irgendetwas anderem anders behandelt werden sollte. Hass und Diskriminierung haben keinen Platz in unserer Welt.»
Der Kniefall ist nicht gerade zu vergleichen mit Alain Sutters berühmten «Stop it Chirac»-Banner 1995 im Länderspiel der Schweiz gegen Schweden in Göteborg. Er wird auch für ungleich weniger Wirbel sorgen, weil solche Statements im Jahr 2020 dank der «Black Lives Matter» Bewegung längst im Sport angekommen ist. Es ist eine schöne Entwicklung und zeigt, dass Sportlerinnen und Sportler bereit sind, für ihre Werte einzustehen.
Lange dauerte es nicht, bis der Sport wieder dominierte. Malin Gut, die 20-jährige Aargauerin, sorgte mit ihrem ersten Länderspieltreffer bereits nach fünf Minuten dafür, dass die Partie in die richtigen Bahnen gelenkt wurde. Ihr Schuss war fast genau so schön anzusehen wie jener von Lehmann später.
Und weil die Schweizerinnen das späte Zittern irgendwie doch noch erfolgreich überstanden, dürfen sie den letzten zwei Spielen der EM-Qualifikation mit vielen guten Gefühlen entgegenblicken.