Brendan Schwab ist kein gewöhnlicher Jurist. Und der 52-jährige Australier ist alles andere als ein langweiliger Gesprächspartner. Schwab verkörpert pure Leidenschaft im Einsatz für seine Arbeit. Er besitze die Fähigkeit, komplexe rechtliche Themen mit markigen Sätzen zu beschreiben, hat eine australische Tageszeitung eines seiner Erfolgsrezepte einmal treffend skizziert.
Vor fünf Jahren zügelte Schwab mit seiner Frau und den vier Kindern von Australien in die Schweiz. Als Direktor der World Players Association ist er seither quasi der oberste Gewerkschafter im Weltsport. Ein Job, der ihm in die Wiege gelegt wurde. Sein Vater war ein engagierter Sportfunktionär im Australian Football, seine Mutter eine ebenso flammende Stimme der Arbeiterschaft. «Ich habe meine zwei Interessen im Beruf kombiniert. Was will ich mehr?», sagt Schwab.
Eine Kostprobe seiner knackigen Analysen gefällig? Die Feststellung, dass die nordamerikanischen Spielergewerkschaften eine ungleich stärkere Position einnehmen als die Ebenbilder im Fussball, quittiert der Anwalt mit der Bemerkung: «Ist doch bemerkenswert. Im durch und durch kapitalistischen Amerika sind die Spielervertretungen sozialistisch, im politisch vielfach sozialistischen Europa sind die Sportverbände umso kapitalistischer.» Er schmunzelt selbst ob des Vergleichs.
Sein Einsatz für die Profisportler dieser Welt ist trotz spitzer Zunge durch und durch ernsthaft und hat vielfach bleibende Spuren hinterlassen. Dem australischen Teamsport bescherte er als Erbe eine Charta der Athletenrechte. Später als Vizepräsident der Profifussballer-Gewerkschaft FIFPro entwickelte er das FIFA-Verbot des Eigentums an Spielertransferrechten durch Dritte.
Eine weitere Fähigkeit von Schwab ist es, Allianzen zu schmieden. So sprach er gemeinsam mit mehreren grossen Nicht-Regierungsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International beim Internationalen Olympischen Komitee und der FIFA vor – etwa um die Menschenrechte im Olympia-Gastgebervertrag für Paris 2024 zu verankern oder in den FIFA-Statuten zu integrieren, wo sich der Weltfussballverband seit kurzem «zur Achtung aller international anerkannten Menschenrechte verpflichtet und sich bemüht, den Schutz dieser Rechte zu fördern».
Diese Meilensteine in seinem nunmehr 30-jährigen Einsatz für Sportlerrechte halten ihn nicht davon ab, weiterhin hungrig, weiterhin fordernd, weiterhin angriffig zu sein. So kritisiert Schwab die grossen Sportorganisationen scharf für ihren Ansatz der eigenen Welt losgelöst von der Gesellschaft. «Im Sport sieht man die Dinge gerne schwarz oder weiss. Diese Philosophie zementiert man mit der eigenen Rechtsprechung am Sportgerichtshof CAS in Lausanne. Doch gerade bei Themen wie den Rechten von Menschen gibt es viele Grautöne, die man nicht einfach ausblenden darf.»
Der FIFA attestiert er die grösseren Fortschritte als dem IOC, etwa durch die Entwicklung der Rechte von Arbeitern im WM-Land Katar. «Der Sport hat die Macht, etwas zu bewirken. Aber das geht nur gemeinsam», sagt Schwab. Er weiss, dass es dazu zumeist den Druck von verschiedenster Seite braucht – von Sponsoren, von Sportlern und nicht zuletzt von ihm. Auch die FIFA habe sich erst bewegt, als Schlagzeilen über Korruption und Menschenrechtsverletzungen drohten, die Organisation aufzufressen.
Schlechte Noten erhält das IOC. Schwab ärgert sich ob der Diskrepanz, dass man einerseits propagiere, der Sport könne die Welt verändern und von «olympischen Idealen» spreche, es bei den eigenen Handlungen und Verantwortungen im Bezug auf die Menschenrechte aber nicht so genau nimmt.
Der Sport müsse das Visier öffnen und nicht nur die Rechte der eigenen Akteure im Blick haben, «sondern aller vom Sport betroffenen Gruppen». So verurteilt er, dass im Nachhaltigkeitsplan der Olympischen Winterspiele von Peking 2022 keine Verpflichtungen zum Schutz von Meinungsfreiheit und Arbeitsrechten vorkommen – aus Sicht von Schwab zwei entscheidende Eckpfeiler der Menschenrechte. Auch im aktuellen Umgang mit Weissrussland fehlt dem Juristen vom IOC ein entschlossenes Vorgehen und das bedingungslose Einstehen für die Sportler.
Nicht nur das IOC sei wenig überzeugend unterwegs. Viele Sportverbände hätten gewaltigen Aufholbedarf, was Transparenz und Führungsverhalten angeht. Dem Weltverband der Leichtathletik etwa attestiert er ein rückständiges Handeln bei der Wahrung von Menschenrechten. Schwab denkt an den Umgang mit der südafrikanischen Läuferin Caster Semenya. Mann oder Frau? Schwarz oder Weiss? Auch bei ihr durfte es keine Grautöne geben.
Auch beim Fussball sieht Brendan Schwab noch viel Arbeit vor sich, beispielsweise in China oder in arabischen Ländern, wo ein Sportler im Selbstverständnis so manchen Klubbesitzers vielmehr Produkt denn Person ist. «Der Spieler ist in diesem multinationalen globalen Business nach wie vor in vielerlei Hinsicht das schwächste Glied», sagt er.
In der gegenwärtigen weltweiten Corona-Krise sieht Schwab für den Sport einerseits «die wohl schwierigste Herausforderung der Neuzeit, weil sich existenzielle Fragen zum Geschäftsmodell und wirtschaftlichen Überleben stellen». Andererseits betrachtet er die Bewältigung dieser Krise auch als eine Chance für mehr finanzielle Transparenz, gute Geschäftsführung und eine Anpassung des Rechtssystems. «Wir können das nur miteinander schaffen, aber nur, wenn man ehrlich und offen zueinander ist und den Zugang zu Informationen gewährt», sagt Schwab.
Er spricht von einem notwendigen neuen sozialen Vertrag für den weltweiten Sport. Und erinnert die Verbandsbosse an das Rekordwachstum in den letzten 20 Jahren. «Der Fussball hat sehr viele Mäuler zu füttern», sagt der Australier, «und vergisst bisweilen, dass der Spieler der wichtigste Faktor bleibt, um das Produkt zu erhalten».
Er nennt das langjährige Miteinander von Eigentümern und Spielervertretungen im neuseeländischen Rugby als Paradebeispiel. «Dort hat man begonnen, den Spieler nicht nur als Athleten, sondern als Person zu betrachten und viel mehr Wert auf die persönliche Entwicklung der Sportler zu legen», sagt Schwab. Mit dem Resultat, zur weltweit erfolgreichsten Nation in dieser Sportart aufzusteigen.
Eines steht nach seinen mehr als einstündigen, ebenso leidenschaftlichen wie bestimmten Ausführungen fest: Die Arbeit wird Brendan Schwab nicht ausgehen.