Thomas Grönnemark hat einen neuen Karriere-Höhepunkt erreicht. Der 42-jährige Däne trainiert neu die Spieler des FC Liverpool – als Einwurftrainer.
In England sorgte die Ernennung für Stirnrunzeln. Ein eigener Trainer nur für die Einwürfe? «Hier ist ein Ball. Nimm ihn in die Hände, halte den Ball hinter den Kopf, bleibe mit beiden Füssen am Boden und werfe ihn ein», mäkelte TV-Experte Andy Gray und sagte nach dieser Kurz-Anleitung: «Damit bin ich nun ein offizieller Einwurf-Trainer.»
Dabei scheint es durchaus sinnvoll zu sein, sich ausführlicher mit dem Einwurf zu beschäftigen, als dies bislang wohl die meisten Fussballteams machen. Schliesslich kann eine Mannschaft in jeder Partie mehrere Dutzend Mal den Ball von der Seitenlinie ins Spielfeld werfen. «Die Bedeutung von Einwürfen wird unterschätzt», sagte Thomas Grönnemark gegenüber der BBC. Und er machte Werbung in eigener Sache: «Wenn man erwartet, dass aus Profifussballern ohne Coaching Weltklasse-Einwerfer werden, ist man ziemlich optimistisch.»
Liverpool-Trainer Jürgen Klopp jedenfalls hat der Däne überzeugt. Er habe vorher auch noch nie von einem Einwurf-Trainer gehört, gab Klopp zu. «Als ich von Thomas gehört habe, wollte ich ihn unbedingt treffen. Und danach war es für mich hundertprozentig klar, dass ich mit ihm zusammenarbeiten will.»
Grönnemark kann Fakten liefern, dass sein Job etwas bringt. Er arbeitete schon für die dänischen Klubs Midtjylland und Horsens – beide Teams erzielten vergangene Saison zehn Tore nach langen Einwürfen. Der Däne behauptet, dass fast jeder Spieler sich um fünf bis zehn Meter steigern könne, mancher auch um mehr.
Midtjyllands Talent Andreas Poulsen, der auf diese Saison hin zu Mönchengladbach wechselte, verbesserte seinen Einwurf von 25 auf 38 Meter. Poulsen ist überzeugt: «Damit kann man gefährliche Situationen schaffen.» Weil man, je weiter man kommt, eine grössere Fläche des Spielfelds erreichen kann. Falls er sein Wissen an Borussia-Mitspieler Michael Lang weitergibt, könnte auch die Schweizer Nati davon profitieren.
Laut Experte Grönnemark gibt es rund 25 bis 30 technische Aspekte, die bei einem langen Einwurf zu beachten sind. Doch es geht nicht nur um diese, welche so gefährlich wie Flanken sein können. Grönnemark trainiert auch schnelle Einwürfe, um Angriffe einzuleiten. Er studiert mit den Spielern Laufwege ein und hilft ihnen, sich auch unter Druck richtig zu bewegen. «Ich mache alles, was man sich vorstellen kann», so Grönnemark.
So sehr Grönnemark sich für den Einwurf einsetzt, so sehr dämpft er zu hohe Erwartungen. «Wenn Liverpool ein, zwei Tore nach langen Einwürfen erzielt, wäre das perfekt für mich», sagte er. «Und ich freue mich noch mehr, wenn das Team nach einem schnellen oder cleveren Einwurf trifft.»
Viele solche Tore werden in der Premier League nicht erzielt. Die Statistiker von Opta haben in den vergangenen fünf Saisons gerade einmal 20 Treffer registriert, an deren Ursprung klar ein Einwurf stand. Liverpool kam letzte Saison bloss zu drei Abschlüssen nach einem Einwurf.
Dabei sind gerade in England die Erinnerungen an Rory Delap noch intakt. Vor zehn Jahren war der Ire nach dem Aufstieg von Stoke City ein Schlüsselspieler. Delap, in der Jugend auch Speerwerfer, schleuderte den Ball weit und wuchtig vors Tor, so dass er wie ein Eckball war. Stoke verkleinerte im Heimstadion sogar extra das Spielfeld, damit die Waffe noch gefährlicher war. «Das ist vielleicht nicht schön», sagte der damalige Chelsea-Trainer Luiz Felipe Scolari, «aber wenn du damit Tore erzielt, ist es schöner, als wenn du keine Tore machst.»
In einer Fussballwelt, in der immer mehr Wert auf scheinbar nebensächliche Details gelegt wird, ist Einwurf-Training nichts als logisch. Thomas Grönnemarks Einfluss beim FC Liverpool wurde bereits bemerkt. Trainer Jürgen Klopp sagte, er stelle einen Unterschied zu vorher fest.
Auch der frühere Nationalstürmer Ian Wright beobachtete «einige sehr gute Einwürfe von Joe Gomez». Vorher habe er dies vom Innenverteidiger nie gesehen. «Es sieht so aus, als habe ihm der Einwurf-Trainer etwas beigebracht», so Wright auf «Radio 5». Grönnemark pflichtete dem insofern bei, als er sagte: «Wäre ich ein Verteidiger, hätte ich keine Freude an Gomez' Einwürfen.»