Über ihn staunt auch Fussball-Italien: Remo Freuler. Der 29-Jährige hat sich bei Atalanta Bergamo zum unbestrittenen Leader entwickelt und sein Team erneut auf den dritten Platz der Serie A geführt. Dazu kam der knapp verlorene Final der Coppa Italia gegen Juventus. Freuler sagt:
Auf den Hinweis, dass Atalanta Bergamo ziemliche Probleme hat, sobald er nicht spielt, entgegnet er zurückhaltend: «Wenn ich glauben soll, was ich so höre, dann ist es sicher so, dass alle lieber mit mir als ohne mich spielen.» Dann fügt er an: «Es läuft super für mich. Ich fühle mich wohl auf dem Feld, habe eine gute Präsenz – ich kann mich nicht beklagen.»
Nach dem enttäuschenden 1:1 gegen Wales trifft die Schweiz nun auf Italien. Auf eine Mannschaft, die seit der verpassten WM 2018 in 28 Spielen nie mehr verloren hat. Und vor allem im Auftaktspiel gegen die Türkei (3:0) vorbehaltlos überzeugt hat.
«Ich habe schon länger davon geträumt, einmal gegen Italien zu spielen. Jetzt ist der Moment da, ich freue mich!» Was kommt am Mittwochabend auf die Schweiz zu? Freuler weiss es. In der Serie A stand er vielen Akteuren dieses «neuen Italiens» gegenüber. Für CH Media charakterisiert er einige der wichtigsten Spieler – aber auch jene Talente, die ausserhalb Italiens noch nicht so bekannt sind (was sich an dieser EM durchaus ändern könnte).
«Er ist sehr gross, hat darum eine riesige Reichweite, kann vieles abdecken. Dazu ist er enorm reaktionsschnell. Zudem hat er, obwohl erst 22-jährig, bereits viel Erfahrung. Gut ist einfach, dass auch er die unhaltbaren Bälle nicht halten wird (lacht)».
«Mit ihm habe ich bei Atalanta gespielt. Er ist ein riesiges Talent, sein linker Fuss ist genial. Er hat eine tolle Spieleröffnung, ist schnell und stark in den Zweikämpfen. Bastoni vereint alles, was einen modernen Verteidiger ausmacht. In der Kombination mit einem der beiden schon etwas älteren Chiellini oder Bonucci könnte das ziemlich gut passen.»
«Einer der fittesten Aussenverteidiger, die ich kenne. Er hat viel Dampf nach vorne, ist gut im 1-gegen-1. Aber in der defensiven Phase hat er einige Schwächen.»
«Ihn kenne ich aus seiner Zeit bei Napoli. Er ist nicht der schnellste, dafür technisch überragend. Dazu kommt seine herausragende Spielintelligenz. Sein Spielaufbau ist top, er ist der Antreiber im Mittelfeld.»
«Vielleicht der beste Mittelfeldspieler der Serie A. Er ist lauffreudig, spielstark, gut am Ball. Dazu geht er gerne in den Abschluss – und erzielt durchaus auch Tore. Er ist ziemlich komplett.»
«Einer meiner Lieblingsspieler. Er ist sehr klein, aber sehr wendig, ein feiner Techniker. Sein rechter Fuss ist unglaublich. Er spielt sehr präzise, gefährliche Diagonalbälle auf den zweiten Pfosten für den rechten Flügel. Dazu kommt seine extreme Dribbelstärke. Man kann ihn fast nicht aus dem Spiel nehmen.»
«Er kann rechts oder links spielen. Er ist schnell. Er ist stark im 1-gegen-1. Und er geht oft und erfolgreich in den Abschluss.»
«Ein Stürmer, der viele Tore macht. Er geht immer in die Tiefe und ist direkt vor dem Tor sehr stark. Da sehen die Trainer auch gerne mal drüber hinweg, dass er nicht viel hilft im Spiel gegen den Ball…»
Ganz generell, wie beurteilt Freuler die Italiener? «Nachdem sie 2018 die WM verpassten, haben sie sich neu gebildet. Das Team ist aufgeräumt, verjüngt, mit einigen grossen Talenten. Und vor allem: Sie glauben an sich. Mit jedem Sieg ist das Selbstvertrauen grösser geworden. Das ist auch ein wichtiger Punkt, um als Team zusammenzuwachsen. Und genau das ist geschehen. Das erste EM-Spiel hat das noch einmal bestätigt.»
Nun, was bedeutet das für die Schweiz? «Wir haben verschiedentlich gezeigt, dass wir mithalten können mit grossen Mannschaften. Es geht vor allem um einen Punkt: Wir müssen den Italienern mit der Körperhaltung begegnen, die sagt: ‹Hey, gegen uns ist es nicht einfach. Ihr müsst 100 Prozent geben, sonst ist nichts zu holen gegen uns.› Das will ich von der Mannschaft sehen.»
Die Stimmung im Schweizer Team beschreibt Freuler als gut. «Am Tag nach dem 1:1 gegen Wales waren einige noch etwas enttäuscht und bedrückt. Aber jetzt herrscht wieder Aufbruchstimmung.»