Die Young Boys sind auf bestem Weg zum vierten Meistertitel in Folge. CEO Wanja Greuel geht es aber nicht nur um sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg, er will die Strahlkraft von YB auch für Themen ausserhalb des Sports nutzen. Im Gespräch mit watson erzählt er, weshalb psychische Gesundheit einen grösseren Stellenwert verdient, weshalb es für ausländische Spieler im Lockdown so schwierig war und wieso hohe Gehälter nicht mit Glücklichsein gleichzusetzen sind.
Wie gehen Sie bei YB vor, um Probleme mit der psychischen Gesundheit frühzeitig zu erkennen?
Wanja Greuel: Die Firmenkultur steht zuoberst. Wir haben bei YB 200 Mitarbeiter*innen, hunderte Nachwuchsspieler*innen und natürlich auch die erste Mannschaft. Wir versuchen, im gesamten Verein eine freundliche, offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur zu leben. Das ist nicht immer einfach, da wir auch ein Wirtschaftsunternehmen sind und eine klare Aufgabe haben: Wir möchten gewinnen. Doch wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir die familiäre Kultur mit einem leistungsorientierten Unternehmen vereinen können.
Haben Sie ein konkretes Beispiel, wie Sie Probleme erkennen können?
Es ist ähnlich wie im privaten Bereich. Wenn man feststellt, dass eine Person nicht so obenauf ist, fragt man mal nach, ob sie etwas beschäftigt. Es ist wichtig, die Augen offenzuhalten und allen mit Empathie und Offenheit zu begegnen.
Deshalb schulen wir auch die Coaches und den Staff, dass sie von Anfang an mit diesen Werten auf die Spieler zugehen. Zusätzlich haben wir eine Mentaltrainerin im Unternehmen, die in erster Linie für den Nachwuchs zuständig ist, aber auch der ersten Mannschaft für ein vertrauensvolles Gespräch zur Verfügung steht.
Wenn Probleme festgestellt werden, wie wird dem Spieler geholfen?
Das liegt im Ermessen vom Staff und vom Management. Bei solchen Themen ist es wichtig, dass man zusammensitzt und das bespricht. Es ist immer individuell, wie man mit diesen privaten oder psychischen Problemen umgehen will.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Als sich Sandro Lauper innert kurzer Zeit zweimal das Kreuzband gerissen hat, war das sehr traurig für alle im Klub. Da ist Christoph Spycher mit ihm nach Österreich gereist, um ihn bei der zweiten Operation zu unterstützen. Das würden nicht viele Sportchefs für ihre Spieler machen.
Sind das Geschäft Fussball und der Profisport allgemein prädestiniert für psychische Krankheiten?
Zum einen würde ich sagen, ja, weil natürlich permanent ein hoher Leistungsdruck da ist. Wir befinden uns in einer Leistungsgesellschaft und so ist das auch in unserem Verein. Alle wollen spielen und auch wenn sie Freunde und Kollegen sind, sind sie gleichzeitig auch Konkurrenten. Da will man keine Schwäche zeigen, sondern man möchte sich durchsetzen. Das macht es dann auch schwieriger, sich zu öffnen, wenn es einem nicht so gut geht. Ich vergleiche das manchmal mit einer physischen Verletzung. Wenn man vor einem wichtigen Spiel steht, behält ein Spieler kleinere Beschwerden vielleicht eher für sich, aus Angst, der Trainer könnte ihn auf die Bank setzen.
Und zum anderen?
Die Profisportler sind sich diesen Druck gewöhnt. Sie müssen sich von klein auf in einer Leistungsgesellschaft durchbeissen. Daher denke ich, dass die Resilienz bei vielen sehr gross ist. Aber auch hier gibt es natürlich Unterschiede und einige Spieler sind sensibler als andere. Die Trainer müssen individuell auf die Persönlichkeiten der Spieler eingehen können. Da ist man heute im Vergleich zu früher aber schon viel weiter.
Kann man im harten Geschäft Fussball überhaupt immer Rücksicht auf die psychische Gesundheit der Spieler nehmen?
Ich glaube, es ist umso wichtiger. Höchstleistungen sind nur möglich, wenn es einem gut geht. Daher müssen wir dafür sorgen, dass wir unseren Spielern und Mitarbeitern das bestmögliche Umfeld bieten können.
Kann der sportliche Erfolg von YB auch auf den Stellenwert der psychischen Gesundheit im Verein zurückgeführt werden? Sind die Spieler eher bereit alles für den Verein zu geben, wenn sie merken, dass es umgekehrt auch so ist?
Ich glaube schon, wobei es hier auch immer ein bisschen ist wie mit dem Huhn und dem Ei. Wenn ein Team erfolgreich ist, ist es immer einfach zu sagen, dass der Zusammenhalt riesig ist und die Atmosphäre stimmt. Viele fragen mich auch immer, was passiert ist seit dem Kurswechsel 2016 und wie YB in der Folge das lange Warten auf einen Titel beenden und in vier Jahren hoffentlich bald vier Meistertitel gewinnen konnte.
Was haben Sie denn geändert?
In erster Linie ist es ein Kulturwandel im sportlichen Bereich, den Christoph Spycher vorlebt. Wir legen Wert darauf, familiär, vertrauensvoll und ehrlich miteinander umzugehen, aber gleichzeitig auch leistungsorientiert, klar und konsequent zu sein. Unseren jungen Spielern haben wir auch aufgezeigt, welchen Weg sie bei YB gehen können und welchen persönlichen Erfolg sie haben können, wenn sie auch ihren eigenen Beitrag leisten. Das kann man an den Beispielen Denis Zakaria, Kevin Mbabu und Djibril Sow sehen.
YB übernimmt in vielen Tabu-Themen eine Vorreiterrolle. So auch beim Thema Homosexualität (Film «Mario») und nun dem Erste-Hilfe-Programm «ensa». Wieso?
Es ist in der DNA unseres Vereins. YB hat sich schon seit 25 Jahren proaktiv gegen Rassismus eingesetzt. In den letzten Jahren haben wir unser Engagement im sozialen Bereich intensiviert und weiter ausgebaut. Wir möchten eine familiäre Kultur bieten, wir heissen jeden willkommen und das möchten wir nicht nur auf die Website schreiben, sondern auch leben und gegen aussen zeigen. Das hängt auch mit dem Management zusammen. Alle hier vertreten diese Werte und wollen auch Vorbilder sein für unsere Mitarbeiter*innen, aber auch als Klub eine Vorbildrolle in der Schweiz einnehmen.
Woraus besteht die Zusammenarbeit mit «Pro Mente Sana» genau?
Wir sind uns bewusst, dass YB als Fussballklub eine grosse Strahlkraft hat und diese möchten wir nutzen, damit «Pro Mente Sana» und die wichtigen Aktivitäten dieser Stiftung durch unser Engagement mehr Aufmerksamkeit bekommen. Zudem geht es auch darum, unsere Werte wie Offenheit authentisch zu vertreten und dahinterzustehen.
Dann gibt es die Erste-Hilfe-Kurse von «ensa», die wir bewerben, aber auch mit unseren Mitarbeiter*innen belegen. Sport, Fussball und YB interessiert Leute und wenn man das mit einem wertvollen, aber nicht ganz einfachen Thema verbinden kann, ist am Schluss allen geholfen.
Viele der Leistungsträger der erfolgreichen letzten Jahre in Bern kommen aus anderen Ländern und Kulturen als der Schweiz. Für die oftmals jungen Spieler ist das eine grosse Herausforderung. Wie sorgt man von Anfang an dafür, dass sich diese wohlfühlen und in ihrem neuen zu Hause einleben können?
Auch hier ist es wichtig, achtsam und empathisch zu sein und zu schauen, wie es den Leuten geht. Wir haben ein Team in der Sportadministration, das sich täglich um diese Spieler kümmert. Sie werden auch bei Dingen wie den Steuern und der Wohnungssuche unterstützt, damit sie sich voll auf den Sport konzentrieren können. Gerade jetzt in der Coronazeit ist das nicht einfach, weil die Mannschaft für diese Spieler wie eine Familie ist. Im Lockdown sassen sie dann zum Teil alleine in ihrer Wohnung und waren weit von ihren eigenen Familien entfernt. Da haben wir viel Kontakt gehabt, virtuelle Trainings organisiert und uns bemüht, für die Spieler da zu sein und die Türe immer so weit offen zu haben wie möglich, um ihnen zu ermöglichen, mit ihren Problemen zu uns zu kommen.
Nutzen die Spieler das Angebot auch, oder sind sie da vorsichtig, da es immer noch ein Tabu-Thema ist?
Auch solche Fälle kann es geben. Gerade deshalb ist es wichtig, auch alternative Ansprechstellen anzubieten. Die Physiotherapeuten spielen auch eine wichtige Rolle, da die Spieler oft bei ihnen sind und vielleicht auch mal erzählen, wenn ihnen etwas auf dem Herzen liegt. Unsere Mentaltrainerin ist auch immer für die Spieler verfügbar und da ist es wichtig, dass die Gespräche immer vertraulich sind. Hier legen wir grossen Wert auf eine vertrauensvolle Kultur und haben mit «Pro Mente Sana» und anderen Partnern Kontakte, denen sich die Spieler auch anvertrauen können.
Viele Profis fallen nach ihrer Karriere in ein Loch. Werden die Spieler auch nach dem Karriereende unterstützt?
Das ist auch ein grosser Punkt für uns, den Spielern schon während der Profikarriere zu zeigen, was wichtig ist. Wir binden sehr gerne ehemalige YB-Profis ein. Neben Sportchef Christoph Spycher sind auch Marco Wölfli, Steve von Bergen oder Stéphane Chapuisat bei uns im Klub tätig, um nur einige Beispiele zu nennen. Doch wir haben eine begrenzte Verantwortung, wir können uns nicht um jeden Einzelnen kümmern, der mal bei YB gespielt hat. Wir versuchen Türen zu öffnen und ihnen wichtige Beratungsstellen aufzuzeigen, aber da sind in erster Linie die Spieler selbst und ihre Berater verantwortlich.
Was sagen Sie Leuten, die meinen: «Fussballer verdienen eine Menge Geld, die sollen sich nicht beschweren»?
Geld macht nicht glücklich. Da gibt es auch genug wissenschaftliche Untersuchungen, die das belegen. In den letzten Jahren gab es ja auch viele Suizide von Topmanagern in der Wirtschaft, die alle nicht schlecht verdient haben.
Auch Legenden wie Andrés Iniesta und Gianluigi Buffon haben sich zu der psychischen Belastung geäussert. Wir alle kennen den tragischen Fall von Robert Enke. Das sind Leute, bei denen man eigentlich denken könnte, sie haben Erfolg, verdienen viel Geld, stehen im Mittelpunkt, was gibt es Schöneres? Doch wir sind alle Menschen mit einer komplexen Psyche, wo niemand hereinschauen kann. Da müssen wir lernen, achtsam zu sein und zu akzeptieren, dass psychische Belastung genauso Teil des Lebens ist wie körperliche Belastung und Krankheiten. In meinen Augen sollte das besser gleichgestellt werden.
Er spielt in Bern immer noch aktiv in der Alternativliga! Das sagt doch eigentlich schon alles... Als Fan ist es einfach nur schön eine solche Führungsriege an der Arbeit zu wissen.
Grande Wuschu, Grande Wänu und eben auch insgesamt Grande YB! Toll was da in so kurzer Zeit mit Bedacht aufgebaut worden ist.
Hopp YB 💛🖤💛🖤🤙🍻🐗
Ich finde es toll, dass YB sich so für die psychische Gesundheit engagiert!