Sport
Interview

Thun-Präsident Markus Lüthi im Interview über Fussball zu Coronazeiten

Thuns Praesident Markus Luethi vor dem Super League Spiel zwischen dem FC Thun und dem FC Luzern am Samstag, 22. Ferbruar 2020 in der Stockhorn Arena in Thun. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Thun-Präsident Markus Lüthi ist mit seinen Aussagen vorsichtiger geworden.Bild: KEYSTONE
Interview

Thun-Präsi Lüthi: «Der Fussball hat nahe an der Klippe gearbeitet, das holt uns nun ein»

Markus Lüthi plädierte als erklärter Gegner von Geisterspielen für den Saisonabbruch. Im Interview erklärt der Präsident des FC Thun, weshalb er seine Meinung jetzt doch ändern könnte.
02.05.2020, 10:3902.05.2020, 16:40
markus brütsch / ch media
Mehr «Sport»

Herr Lüthi, warum will der FC Thun die Saison abbrechen?
Markus Lüthi:
Diese ultimative Meinung hatte ich tatsächlich einmal. Allerdings habe ich inzwischen den Komplexitätsgrad der beiden Varianten «Abbruch» und «Geisterspiele» erkannt und bin vorsichtiger geworden mit meinen Aussagen. Ich möchte zuerst noch diese Woche abwarten.

«Weil wir neben den Saisonkartenbesitzern pro Spiel nur etwa 2000 Tickets verkaufen, läuft es im Durchschnitt auf ein Nullsummenspiel hinaus.»

Was soll da passieren?
Wir haben an einer Videokonferenz am Donnerstag festgestellt, dass wir eine Woche Zeit brauchen, um all die Daten aufzubereiten, die uns ein qualifiziertes Bild verschaffen. Man darf nicht entscheiden, so lange nicht alle Fakten auf dem Tisch sind. Was kosten Geisterspiele? Wie sieht es mit der Kurzarbeit aus? Wie kann man die Situation auffangen? Die Antworten darauf werden dann die Grundlage für eine schriftliche Abstimmung sein wird.

Thuns Ridge Munsy, rechts, und Luzerns Lucas Alves in Aktion, im Super League Spiel zwischen dem FC Thun und dem FC Luzern am Samstag, 22. Ferbruar 2020 in der Stockhorn Arena in Thun. (KEYSTONE/Peter ...
Dem FC Thun ist das Stadion selten gefüllt.Bild: KEYSTONE

Gemäss Basel Präsident Burgener kostet ein Geisterspiel den FCB 300'000 Franken, beim FC Luzern spricht man von 250'000 Franken und FCZ-Präsident Ancillo Canepa hat ausgerechnet, dass dies die ganze Liga 20 Millionen kosten würde. Wie sieht es beim FC Thun aus?
Weil wir neben den Saisonkartenbesitzern pro Spiel nur etwa 2000 Tickets verkaufen, läuft es im Durchschnitt auf ein Nullsummenspiel hinaus.

Dann wären Geisterspiele für den FC Thun ja kein Problem.
Das Ganze ist viel komplexer. In Coronazeiten kommt es natürlich auf die Schutz- und Sicherheitsmassnahmen an, die letztendlich erfüllt werden müssen. Der wichtige Aspekt Kurzarbeit, welcher grossmehrheitlich erhalten bleiben müsste bis Zuschauer im Stadion sind. Und was mit den Sponsoren geschieht, die abgesehen vom Fernsehen zuvor auch noch eine gewisse Visualität hatten. Der Fussball hat, in der Schweiz wie im Ausland , nahe an der Klippe gearbeitet, weil alles so viel teurer geworden ist. Das holt uns in diesen Coronazeiten nun umso fataler ein.

Die Liga will gemäss Canepa mit einem Finanzpartner einen Stabilisierungsfonds im tiefen dreistelligen Millionenbereich auf die Beine stellen. Der Bund müsste dafür bürgen. Wäre das die Lösung?
Es braucht eine Bank, die das macht und den Bund, der dafür bürgt. Das wird kaum zeitgerecht vor unserem Entscheid auf dem Tisch liegen. Aber klar, die Absicht ist gut, man muss etwas tun. Doch es wird kein Fonds à perdu sein. Man muss das Geld zurückzahlen.

Was ist mit den 50 Millionen Franken, die der Bund für den Profisport zur Verfügung stellt?
Das tönt gut, ist in der Praxis aber ein Nonvaleur. Nicht praktikabel, weil man sich erst eine Sekunde vor dem Konkurs melden kann.

Sehen Sie eine Chance, dass Kurzarbeit auch in Kombination mit Geisterspielen weiterhin möglich ist?
Wie wirkt das, wenn ein Betrieb wieder öffnet und dennoch Kurzarbeit beansprucht? Das ist nicht unproblematisch. Beizer, die ihr Lokal nur zur Hälfte füllen können, werden wohl ohne Kurzarbeitsgeld auskommen müssen, etc.

Fürchten Sie bei einem Abbruch keine Klagen? Vom Fernsehen, von Lausanne-Sport …
Wir suchen einen guten Entscheid, der nicht allen gefallen wird. Es wird Sieger und Verlierer geben. Aber es macht jetzt keinen Sinn, solche Szenarien zu skizzieren.

Ein Argument gegen einen Abbruch ist, dass die Transfermarktwerte ins Bodenlose sinken.
Vielleicht ist es ja gut, wenn die Transferexzesse geringer werden. Bei Klubs wie Thun sind die Preise aber immer normal geblieben. Meine Prognose: Im obersten Segment wird sich nichts ändern, weil andere Geldquellen vorhanden sind. In der Mitte werden die Transfersummen stark einbrechen, unten wieder weniger.​

Thuns Basil Stillhart, links, und Trainer Marc Schneider feiern ihren Sieg im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen Neuchatel Xamax FCS und dem FC Thun, am Samstag, 9. November 2019,  ...
Basil Stillhart ist einer von 3 Spielern beim FC Thun mit einem Marktwert über einer Million.Bild: KEYSTONE

Unter welchen Voraussetzungen würde der FC Thun für die Fortsetzung der Saison stimmen?
Wenn das Resultat der Gegenüberstellung zwischen den Varianten «Geisterspiele» und «Saisonabbruch» dafür spricht.

Fürchten Sie einen Grabenkrieg zwischen «Abbrechern» und «Geisterspielern»?
Wir sind uns im Sport gewohnt, dass auf dem Platz beide gewinnen wollen. Deshalb wird es keine Brüche geben.

Kommt es zum Abbruch, ist der Saisonstart 20/21 im September und mit Zuschauern das Ziel.
Dann hätten wir fast ein halbes Jahr pausiert. Ich weiss auch nicht, wie das herauskommen wird.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Spiele in leeren Fussball- und Eishockey-Stadien
1 / 11
Spiele in leeren Fussball- und Eishockey-Stadien
22. Mai 2019: Weil GC-Fans in Sion und Luzern einen Spielabbruch provozieren, muss GC das letzte Spiel in der Super League und auch die erste Partie in der Challenge League nach dem Abstieg vor leeren Rängen austragen.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Cristiano Ronaldo setzt seine Kids als Hanteln ein
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
21 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Super8
02.05.2020 12:57registriert November 2019
Einer der wenigen Weisen und Vernünftigen unter den Schreihälsen wie Canepa, Burgener und Co. Sehr symphatisch.
649
Melden
Zum Kommentar
avatar
w'ever
02.05.2020 11:04registriert Februar 2016
kann mir jemand erklären, wieso ein geisterspiel bis zu 300'000.- kosten kann?
4411
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
02.05.2020 10:58registriert August 2018
..nahe an der Klippe gearbeitet, weil alles so viel teurer geworden ist.

Klippe gleich Spielerlöhne.

Chelsea zum Beispiel. Ich weiss, schlechter Vergleich zu unserer Liga. Da verdienen die Spieler im Schnitt so um die 8 Millionen Euro. Der Klub wird zugemüllt von dem unrechtmässig erworbenen Geld von Roman Abramowitsch. Kann man als Fan stolz sein, auf solche Titel ?

Der FC Thun muss wegen Corona jeden Rappen umdrehen, beim FC Chelsea wird trotz Corona weiterhin volle Kanne Geld geschüttet.
4417
Melden
Zum Kommentar
21
«Playoff-Heldentag» – Philip Wüthrich kehrt ins SCB-Tor zurück
SCB-Trainer Jussi Tapola hat sich in der hochheiklen Goalie-Frage entschieden: Am Mittwoch steht im Spiel der letzten SCB-Chance gegen Zug Philip Wüthrich erneut von Beginn weg im Tor.

Der SCB hat im Viertelfinal gegen Zug ein Goalieproblem. Die Fangquoten sagen eigentlich alles: 84,78 Prozent für Adam Reideborn, 83,11 Prozent für Philip Wüthrich. Für die Zuger hat Leonardo Genoni 93,17 Prozent der Pucks gehalten. Es wäre eine veritable Sensation, wenn das Team mit 80-Prozent-Goalies die Mannschaft mit dem 90-Prozent-Torhüter aus dem Wettbewerb kippt.

Zur Story