Der Bundesrat hat gestern entschieden, dass ab dem ersten Oktober wieder Fans in die Schweizer Hockey- und Fussballstadien dürfen. Und zwar bis zu 60 Prozent der jeweiligen Sitzplatzkapazität. Erleichterung und zumindest etwas Zufriedenheit bei den Hockey-Bossen und Managern im Land? Weit gefehlt!
Viele Stimmen werden laut, die sich darüber beklagen, dass sie nicht 100 Prozent der Sitzplatzkapazität nutzen können. Und sie bestätigen das miese Bild, das einige Klubs in der Coronavirus-Krise bislang in der Öffentlichkeit abgegeben haben.
Der bisherige Gipfel war der peinliche offene Brief von Ligadirektor Denis Vaucher an den Bundesrat, der sich billiger Patriotenrhetorik bediente und für keinerlei Mehrwert sorgte. Nun sorgt Lausanne-CEO Sacha Weibel für Kopfschütteln mit der Aussage, man könne den Fans nicht zumuten, während der ganzen Zeit im Stadion eine Maske zu tragen.
Und viele Vertreter der Klubs ärgern sich, dass sie nur zwei Drittel der Sitzplatzkapazität (was in den meisten Fällen rund der Hälfte der Kapazität mit Stehplätzen entspricht) füllen können.
Natürlich ist das keine Ideallösung. Natürlich werden die Vereine so Verluste einfahren. Das ist hart und es ist auch verständlich, dass die Manager daran überhaupt keine Freude haben. Doch sie verkennen, dass der Bundesrat ihnen in den letzten Wochen schon extrem entgegen gekommen ist.
Einerseits ist die Regierung daran, die Bedingungen für die Kredite an Sportunternehmen noch einmal zu überarbeiten. Andererseits nimmt die Schweiz bei der Rückkehr der Fans an Sportveranstaltungen in Europa eine Vorreiterrolle ein. Im Eishockey planen bislang einzig Russland, Weissrussland und Finnland einen Saisonstart mit Zuschauern. Das hätte die Schweiz nicht tun müssen. Gesundheitsminister Alain Berset und Co. hätten auch eine 50-Prozent-Auslastung oder gar das Beibehalten der 1000-Personen-Grenze durchboxen können.
Die Hockey-Bosse sollten sich wieder bewusst werden, dass wir uns immer noch Mitten in einer Pandemie befinden. Zwar ist die Lage in der Schweiz momentan einigermassen stabil – die Zahl der Fälle steigt, doch die Hospitalisierungen bleiben bislang eher tief. Dass kann sich aber rasch wieder ändern, wenn sich die Altersverteilung bei den positiven Tests wieder in Richtung der Ü60-Gruppe verschiebt.
Das Virus ist noch da. Die Lage bleibt unsicher, bis ein gründlich getesteter Impfstoff auf dem Markt ist. Bis dahin ist neben (und auch mit) Masken immer noch Abstand halten einer der besten Wege, um Covid-19 einigermassen unter Kontrolle zu halten. Deshalb verkennt EVZ-CEO Patrick Lengwiler die Lage, wenn er sagt, dass er den Entscheid des Bundesrates «nicht nachvollziehen kann». Mit einer 100-prozentigen Sitzplatzauslastung könnte dieser wichtige Sicherheitsabstand nicht mehr eingehalten werden. Natürlich kommen enge Platzverhältnisse auch im öffentlichen Verkehr vor. Doch der ÖV ist im Gegensatz zum Spitzensport in der Schweiz durch und durch systemrelevant. Der Bundesrat muss an die Gesundheit aller denken, nicht nur an jene der Sportklubs.
Statt ständig zu jammern und in die Hand zu beissen, die sie füttert, sollten die Klubs endlich aktiv werden, um diese Krise zu meistern. Sie müssen mit ihren Fans das Gespräch suchen, sie davon überzeugen, dem Verein weiterhin treu zu bleiben. Ihnen den Konsum im Stadion schmackhaft machen, damit dieses Geld sicher in die Klubkassen kommt. Und – das ist das wichtigste – die Teams müssen mit den Fans arbeiten, damit die Sicherheitsvorkehrungen stets eingehalten werden, auch wenn Alkohol im Spiel ist. Andernfalls ist der Luxus von gefüllten Stadien bald wieder vorbei.
Gleichzeitig müssen die Sportchefs und CEOs auch mit den eigenen Spielern Gespräche führen, denn dort befinden sich die grössten Kostenpunkte im Schweizer Eishockey. Statt die Entscheide des Bundesrats zu betrauern, sollten die Klubs hinterfragen, warum selbst Ergänzungsspieler in der Schweiz bis zu 300'000 Schweizer Franken jährlich verdienen, während der Durchschnittslohn in der besseren schwedischen Liga (SHL) zwischen 93'000 und 115'000 Franken liegt.
Ein grosser Teil der hiesigen Eishockeyklubs schreibt Jahr für Jahr rote Zahlen. Daran sind die Klubs selbst Schuld und nicht der Bundesrat. Und deshalb müssen sie jetzt in Krisenzeiten auch selbst Lösungen für die (kurz- und langfristige) Zukunft finden. Denn nur mit Jammern wurde noch keine Krise gelöst.