Zum sechsten Mal ist Lionel Messi Weltfussballer des Jahres geworden. Er führt nun in dieser Wertung vor Cristiano Ronaldo, der es auf bislang fünf Auszeichnungen gebracht hat. Der Portugiese wusste das Ergebnis wohl schon vorher, weshalb er die kurze Reise von Turin nach Mailand gar nicht erst antrat.
Leer ging bei der FIFA-Gala in der Scala der Favorit aus: Virgil van Dijk. Dabei führte der Holländer den FC Liverpool zum Sieg in der Champions League, dem wichtigsten Klubwettbewerb der Welt. Sein Problem ist wohl seine Position: Van Dijk ist Verteidiger. Er ist nicht dazu da, Tore und Spektakel zu ermöglichen. Sondern diese zu verhindern.
Allerdings ist Virgil van Dijk ein aussergewöhnlicher Verteidiger. Mit seinen 1,93 m ist der 28-Jährige eine beeindruckende Erscheinung, mit einer Ausstrahlung, die Mitspieler aufbaut und Gegner einschüchtert. Sein Stellungsspiel ist brillant, man kann ihn kaum ausdribbeln und noch dazu kommt er ohne grobe Fouls aus. In 38 Spielen der Premier League sah der Abwehrchef der «Reds» genau eine Gelbe Karte.
Kurz gesagt: Man kann sich keinen besseren Innenverteidiger als Virgil van Dijk vorstellen.
Er war in der vergangenen Saison der Spieler des Jahres in der englischen Premier League, er wurde vor einem Monat zu Europas Fussballer des Jahres ausgezeichnet – klar vor Messi und Ronaldo. Doch die wichtigste individuelle Auszeichnung, die ein Fussballer gewinnen kann, blieb van Dijk versagt. Bestimmt auch, weil bei so einer Wahl die Vergangenheit mächtig Eindruck macht und das Wahlverhalten beeinflusst.
Wer wählt, denkt nicht nur an die Gegenwart und die vergangenen zwölf Monate. Der hat automatisch auch im Kopf, was vorher war. Und da Messi und Ronaldo schon derart viel geleistet und erreicht haben in ihrer Karriere, bleiben diese Leistungen zwangsläufig haften, egal was 2018/19 war und auch wenn nur diese Saison bewertet werden sollte. Ihre herausragende Vergangenheit ist ein Bonus.
Van Dijks Werdegang liest sich dagegen bescheiden. Über Celtic Glasgow und Southampton kam er zu Liverpool, das ihn vor eineinhalb Jahren zum teuersten Verteidiger der Geschichte machte. Er hat noch keinen Bonus.
Und man darf das auch nicht verdrängen: Lionel Messi lieferte schon sehr, sehr gute Argumente für seine Wahl. In 58 Spielen für den FC Barcelona und Argentinien schoss er 54 Tore. 54! Das erscheint mittlerweile als normal – aber nur deshalb, weil Messi und Ronaldo in den vergangenen Jahren regelmässig solche Werte erreichten. Dabei ist es völlig verrückt, so oft zu treffen. Der Argentinier führte Barça zum überlegenen Triumph in der spanischen Meisterschaft, der grosse Rivale Real Madrid wurde um die Weltreise von 19 Punkten distanziert.
Es bleibt dabei, dass Fabio Cannavaro als bisher einziger Abwehrspieler zum Weltfussballer des Jahres gekürt wurde. 2006 war das, als er Italien zum WM-Titel führte. Weltmeister zu werden wird (zu Recht) höher gewichtet als ein Triumph in der Champions League.
Eigentlich müsste es längst eine eigene Kategorie für die beiden Ikonen dieses Sports geben: Jene des besten Fussballers, der nicht von dieser Welt ist. Solange Lionel Messi und Cristiano Ronaldo auf dem Niveau der letzten zehn Jahre Fussball spielen, gibt es für einen Verteidiger nichts zu holen.
Fair ist das nicht unbedingt. Aber wir alle schauen Fussball, um Tore zu sehen. Und da machen 54 teils herausragend erzielte Treffer schlicht und einfach mehr Eindruck als das Verhindern von Torchancen. Virgil van Dijk sieht das übrigens gleich: Er gab seine Stimmen nicht Defensivspielern, sondern Angreifern. Und seine Nummer 1 ist: Lionel Messi.
Selten so einen dominanten Verteidiger erlebt, besonders in den letzten Jahren, seit sich das Spiel nochmals um einiges perfektioniert hat.
Aber Messi sei es dennoch gegönnt.
Das Problem ist einfach, dass Messi wieder einmal nicht von dieser Welt zu sein scheint. 54 Tore in 58 Spielen ist unglaublich. Solche Zahlen siehst du normalerweise höchstens in Amateurligen.
Wenn man sieht, was dieser Mann auf dem Platz macht, wie er mit dem Ball umgeht, was für Pässe er spielt, was für Tore er schiesst und und und, dann verdient er die Auszeichnung eigentlich jedes Jahr.
Er ist der beste Spieler der Welt.