Vierfacher Vater, Ehemann, Präsident einer Stiftung, die mit Millionen operiert, Mitorganisator des Laver Cups, Teilhaber einer Agentur, dazu noch Tennis-Spieler, einer der besten der Geschichte.
Roger Federer ist längst mehr als ein Sportler, der mit bald 39 Jahren auf die Zielgerade seiner Aktivzeit einbiegt. Die Rolle als Tennisspieler wird er irgendwann abstreifen, vielleicht schon in wenigen Monaten. An seinem Vermächtnis ändern zwei, drei Turniersiege mehr oder weniger nicht mehr viel. Die Spuren, die er in den Annalen des Tennis hinterlässt, sind unauslöschlich. Erfolge sind eine schöne Zugabe, aber für sein Glück braucht Roger Federer sie längst nicht mehr. Alles andere aber bleibt Lebensaufgabe.
Seine ersten Gedanken am Morgen drehen sich nicht um den Tennisball, sondern um seine Kinder – die 10-jährigen Myla und Charlene, und die 6-jährigen Leo und Lenny. «Ich brauche die Siege nicht, um glücklich zu sein. Ich bin ausbalanciert in meiner Karriere, im Leben. Mit oder ohne Tennis. Das weiss ich, seit ich 23 Jahre alt bin. Dafür musste ich nicht erst Vater werden und Wimbledon gewinnen», sagte er einmal in Australien.
Sein Glück bemisst sich immer mehr an der Aussicht auf ein Leben ohne Tennis, aber auch ohne Schmerzen. Er ist noch achtsamer geworden mit sich und seinem Körper, der auch sein grösstes Kapital ist. Weil er weiss, dass eine schwere Verletzung das verhindern würde, was ihm am wichtigsten ist: selber zu bestimmen, wann die Karriere endet.
Ob eine Pause nun sechs Monate oder ein ganzes Jahr dauert, verliert an Bedeutung, sein Vermächtnis ist unbestritten. Doch für sein Leben nach dem Spitzensport kann die Operation elementar sein.
So gesehen ist der Eingriff ein kluger Schachzug auf dem Schachbrett des Lebens. Dieses besteht aus mehr als aus glitzernden Pokalen, Turnieren und Emotionen. An seinen Ambitionen ändert das indes wenig. «Siege sind das, was ich verfolge. Wenn ich Erfolg habe, ist das Leben spannender. Es ist meine Bestätigung. Die Anerkennung tut gut. Es ist schön, wenn die Menschen auf der Strasse sagen: Mach weiter so! Das brauche ich auch. Ich spiele auch, weil ich den Leuten Freude bereiten und etwas zurückzugeben will.»
Erfolg bleibt der Treiber seiner Tenniskarriere, Federer sagte immer: «Ich muss genug Erfolg haben, dass es sich lohnt, auf der Tour zu bleiben. Ich tingle sicher nicht um die Welt, um überall schon in der zweiten Runde zu verlieren. Dann müsste ich so ehrlich sein und sagen: ‹Okay, ich bleibe daheim und mache etwas, das mir mehr Freude macht.› Aber solange ich die Besten bezwingen kann, auf den grössten Plätzen spiele, stellt sich mir diese Frage nicht.»
Roger Federer: «Ich liebe die Geometrie des Spiels, die Art und Weise, wie der Ball fliegt, der Spin, der Slice, was du mit einem Tennisball tun kannst. Das sind Dinge, die mich nie ermüden werden. Tennis ist ein Privileg, meine Leidenschaft.» Video: @AustralianOpen pic.twitter.com/aQnwcffCDs
— Simon Häring (@_shaering) June 8, 2020
Gerade jetzt wird er sich die Frage stellen, wie er sich verabschieden will, von den Bühnen, die ihn zu dem gemacht haben, der er ist, und die ihm alles bedeuten. Und er wird wohl zum Schluss kommen, dass der Abschied warten kann. Mindestens noch ein Jahr.
Ich schicke ihn gleich als Wunderheiler zu Roger.
Im Ernst:
Diejenigen, Roger jetzt abschreiben, werden sich wundern.
Auch im Ernst:
Wer die Rückhand beidhändig spielt, ist kein richtiger Tennisspieler.