Zuerst einmal ein paar Reaktionen auf den Alleingang der Berner. Hockey-Ligadirektor Denis Vaucher ist fassungslos. «Wir haben alle Schutzkonzepte umgesetzt und es hat bei den Spielen nicht das kleinste Problem gegeben. Weil die Berner Regierung den Ausbau des Contact-Tracing verschlafen hat, gibt es nun diese Regelung.»
Wie es weiter geht, wird erst im Laufe des Montags bekannt. Die Klubs brauchen Zeit, um zu entscheiden, wie sie mit diesem Verbot von Fussball und vor allem von Hockey auf Berner Boden umgehen wollen. Marc Lüthi sagt, der SCB werde die Heimspiele bis zur Nationalmannschaftspause (gegen Biel und Fribourg) durchführen. Er wisse aber noch nicht, wie die Einschränkung praktisch umgesetzt werden könne.
Eines ist klar: Ein Spielbetrieb mit lediglich 1000 Zuschauern pro Partie ist nicht mehr finanzierbar. Biels Manager Daniel Villard sagt unmissverständlich: «Nur mit 1000 Personen im Stadion geht es nicht. Wir müssen in diesem Fall ja auch Geld an die Saisonkartenbesitzer und an die Sponsoren zurückzahlen.» Die Budgets, die auf den reduzierten Kapazitäten (zwei Drittel der Sitzplätze) berechnet worden sind, werden Makulatur. Was für Biel gilt, ist für die SCL Tigers, den SCB und YB im Grundsatz nicht anders. Auch die zweitklassigen Profiteams (SC Langenthal, FC Thun) werden so kaum überleben können.
Wenn die Sportunternehmen im Bernbiet nur noch vor 1000 Zuschauern spielen dürfen, die Klubs in allen anderen Kantonen aber weiterhin zwei Drittel der Zuschauerkapazitäten ausnützen können, dann ist eine reguläre Meisterschaft nicht mehr möglich.
Es hilft wenig, wenn nun die SCL Tigers, der SCB, Biel und YB ihre Partien alle auswärts austragen. Ohne Heimspiele gibt es keine Einnahmen mehr. Ohne staatliche Hilfe bedeutet das Verbot von Grossveranstaltungen im Bernbiet den Konkurs der in der höchsten Liga spielenden Klubs. Es ist das absehbare Ende für YB, die SCL Tigers, Biel und den SC Bern. Es ist das Ende des Geschäftsmodelles «Sport als Massenveranstaltung» im Bernbiet.
Die TV-Gelder sind – anders als beispielsweise in der deutschen Fussball-Bundesliga – viel zu wenig hoch, um den Spielbetrieb auch nur auf Sparflamme finanzieren zu können. Ein Vergleich mit der letzten Saison ist auch nicht möglich: die Eishockeymeisterschaft ist zu einem Zeitpunkt abgebrochen worden, als der allergrösste Teil der Partien bereits gespielt worden war. Bloss die letzten zwei von 50 Runden mussten als «Geisterspiele» ausgetragen werden. Das war ein Heimspiel pro Klub. Und die Budgets sind so gerechnet, dass der Betrieb ohne die anschliessenden Playoffs finanziert werden kann.
Es ist nicht nur der heraufziehende Untergang eines Wirtschaftszweiges, an dem im Kanton Bern mehr als 1000 zum Teil sehr gut bezahlte Arbeitsplätze hängen. Es ist vor allem auch das Ende eines Stück Alltags. Einer Kultur, die mehr Menschen mobilisiert als alle anderen Kulturzweige zusammengezählt.
Kritik an behördlichen Massnahmen in Zeiten der Krise ist eine heikle Sache. Weil wir «unten» (im Volk) nicht Zugang zu den gleichen Informationen haben. Erst recht ist Kritik heikel, wenn es um Massnahmen zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung geht.
Aber kritische Anmerkungen sind erlaubt, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, ein Verschwörungstheoretiker zu sein.
Der Bundesrat hat soeben erklärt, dass keine Veranlassung besteht, sportliche Grossveranstaltungen zu verbieten. Sie sind von den neuen, bundesrätlichen Weisungen nicht betroffen. Der Bundesrat ist die höchste Autorität im Land und wir können davon ausgehen, dass die Landesregierung die besten Spezialisten als Ratgeber hat.
Wie kann es dann sein, dass die Regierung im Kanton Bern in der gleichen Sachlage zu einer so dramatisch anderen Einschätzung kommt als der Bundesrat und die Regierungen aller anderen Kantone? Werden den Bernerinnen und Bernern Informationen über eine Gefahr vorenthalten, die es so in allen anderen Kantonen nicht gibt?
Im Kanton Bern ist die Lage nicht dramatisch anders als in den übrigen Kantonen. Trotzdem beschliesst die Berner Regierung, Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen zu verbieten. Damit ist die reguläre Fortsetzung Fussball- und Eishockey-Meisterschaft in der höchsten Spielklasse auf Berner Boden bis auf weiteres nicht mehr möglich.
Wenn im Kanton Bern die Lage so dramatisch ist, dass Massenveranstaltungen, die nach strengen Regeln durchgeführt werden, nicht mehr erlaubt sind, dann ist die Lage so dramatisch, dass eigentlich auch der Hauptbahnhof in Bern geschlossen werden muss. Denn dort treffen pro Tag mehr Menschen aufeinander als während eines SCB-Heimspiels. Auch wenn die meisten in Bewegung sind – von Abstand halten kann keine Rede sein. Noch weniger als in einem Stadion.
Nun ist der Hinweis richtig, dass die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes für das Funktionieren der Gesellschaft unerlässlich ist. Eishockey- und Fussballspiele sind es nicht. Aber was ist eigentlich mit der Eigenverantwortung? Niemand muss in ein Eishockey- oder Fussballstadion gehen. Sind die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr so mündig, dass ihnen die Regierung die Freiheit lassen kann, eine Veranstaltung zu besuchen oder nicht zu besuchen, die weniger gefährlich ist als eine Bahnfahrt?
Wer jetzt sagt, die Berner Regierung drehe durch, muss sich zwar den Vorwurf gefallen lassen, respektlos und polemisch zu sein. Aber diese polemische Aussage trifft den Kern. Der Sport eignet sich sehr gut für spektakuläre Massnahmen. Wenn keine Sportveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen erlaubt sind, steht das Leben im Bernbiet deswegen nicht still.
Aber das Geschrei im Land ist gross und lenkt von allfälligen Versäumnissen der Regierenden ab. Und diese drastische Massnahme passt durchaus zur Kultur des Kantons Bern. Hier haben Regierung und staatliche Administration nach wie vor ein viel ausgeprägteres Autoritätsverständnis als in anderen Kantonen. Hätten die Franzosen 1798 das «Ancien Régime» nicht gestürzt, dann wäre der Kanton Bern heute wahrscheinlich eine Monarchie oder ein «sozialistischer» Einheitskanton.
Wenn der Bundesrat zum Schluss kommt, dass sportliche Grossveranstaltungen nicht das Problem sind, wenn weitere 25 Kantonsregierungen zur gleichen Schlussfolgerung kommen und nur auf Berner Boden Veranstaltungen mit mehr als 1000 Frauen, Männern und Kindern verboten werden – dann dürfen wir tatsächlich unanständig und polemisch sagen: der Sport ist im Kanton Bern das Opfer einer Regierung geworden, die durchdreht.
Von daher scheint das Verbot schon eher eine "wir machen was!"-Massnahme zu sein.