Ein paar Tage noch, dann ist das Corona-Jahr 2020 vorbei. Ein Jahr voller Sorgen und Ängste. Ein Jahr, das den Schweizer Sport vor so grosse Herausforderungen stellte wie nie zuvor.
Was also tun, wenn das Ende eines so aussergewöhnlichen Sport-Jahres bevorsteht und der Abend der Ehrungen der Jahresbesten ansteht? Es ist eine Frage, mit der sich Schweizer Fernsehen und Swiss Olympic vielleicht lieber noch einmal eingehender beschäftigt hätten.
Seit 70 Jahren werden die besten Sportlerinnen und Sportler gewählt, Trainerinnen und Trainer, paralympische Sportlerinnen und Sportler. Es werden die besten Teams ausgezeichnet und die hoffnungsvollsten Talente geehrt. Und 2020? Alles gelöscht.
Ausgerechnet jetzt werden diese Ehrungen gestrichen. In einem Jahr, in dem viele Veranstaltungen und Sport-Vereine der Schweiz ohne die finanzielle Unterstützung aus der Politik dem Untergang geweiht wären. Es darum umso wichtiger wäre, die Gesichter unseres Sports noch einmal zu sehen. Darüber zu reden, wie die Widrigkeiten dieses Jahres bewältigt wurden. Und vor allem: Die Leistungen zu würdigen, die trotz (oder vor) Corona möglich waren. 2020 ohne Sports Awards? Es ist eine unverständliche Entscheidung.
Dafür präsentiert SRF eine Spezialsendung. «Die Besten aus 70 Jahren». Das soll den Eindruck einer Jahrhundertwahl erwecken, ist aber nicht mehr als eine Verlegenheitslösung.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass Rainer Maria Salzgeber und Sandra Studer, die den Abend moderieren, den Zuschauerinnen und Zuschauern so viele Superlative wie möglich entgegenwerfen. Kein Zufall, dass sie fast krankhaft versuchen, Emotionen zu erzeugen. Weil sie auch selbst ahnen: passt nicht wirklich. Einmal sagt Salzgeber: «2020 ist wie ein schlechter Tatort. Man hofft, es möge so rasch wie möglich vorbei sein.» Es ist ein Fazit, das durchaus auch für die Sendung «Die Besten aus 70 Jahren» zutrifft.
Kernstück der Sendung sind Bilder aus der Sport-Vergangenheit. Sie wirken zufällig aneinander gereiht. Und auch die Gespräche im Studio mit den Sportlerinnen und Sportlern gehen kaum je in die Tiefe. Und als Ariella Kaeslin dann doch einen Steilpass spielt, über ihr Leben nach dem Rücktritt spricht («ich habe meine ganze Identität verloren, keine Aufgaben und Ziele mehr gesehen»), geht Moderatorin Studer mit keiner Silbe darauf ein.
Es passt durchaus, dass es schon im Vorfeld der Sendung Irritationen gegeben hat. Martina Hingis wurde von der Wahl ausgeschlossen. Weil sie sich einst während ihrer zweiten Karriere einen Doping-Fehltritt (Kleinstmenge Kokain) leistete. Doch nachdem sie ihre Sperre abgesessen hat, wurde sie sowohl von Swiss Olympic wie auch der Tennis-Tour wieder begrüsst. Und auch wieder als Sportlerin des Jahres nominiert. Doch nun durfte sie plötzlich nicht mehr dabei sein. Schade, denn es brachte die Sendung um den einzigen Spannungsmoment. Hingis hätte die Siegerin Vreni Schneider sicher herausfordern können.
Bei den Männern gab sich Roger Federer in seiner Siegerrede jede erdenkliche Mühe, seinen Respekt vor seinen Kolleginnen und Kollegen der Sport-Schweiz auszudrücken. «Ich fühle mich nicht als Sieger», sagte er, «wir alle sind Sieger, weil wir uns gegenseitig inspirieren und zeigen, was mit Wille und Leidenschaft alles möglich ist».
Die weiteren Auszeichnungen erhielten Jean-Pierre Egger als bester Trainer und Heinz Frei als bester paralympischer Sportler. Und das Schweizer Eishockey-Nationalteam wurde für WM-Silber 2018 geehrt. Dass es mit Dominic Stricker dann aber gleichwohl einen Newcomer dieses eigentlich gelöschten Jahres gab, passt irgendwie ins skurrile Bild dieses Abends. (aargauerzeitung.ch)