Obwohl Roger Federer in den letzten 13 Monaten nur das Turnier in Doha bestritten und dabei ein Spiel gewonnen hat, wird er in der Weltrangliste noch immer im siebten Rang geführt. Vom 16. März bis 3. August 2020 war das Ranking eingefroren, seither wird nur das jeweils bessere Resultat bei einem Turnier im Zeitraum von zwei Jahren berücksichtigt. Eine Regelung, die bis mindestens zum 9. August bestehen bleiben soll. Allerdings gelten zwischen dem 4. März und dem 9. August 2019 gesammelte Punkte nur noch zur Hälfte, sofern ein Spieler beim gleichen Turnier in diesem Jahr nicht mehr Punkte sammeln sollte. Prädikat: Es ist kompliziert.
Sicher ist: Auch für Roger Federer ist die Schonfrist damit abgelaufen. Mehr noch: Durch die Verschiebung der French Open um eine Woche gerät der 39-Jährige in ein Dilemma. Denn zwischen dem Final in Paris, Höhepunkt und Schlusspunkt der Sandsaison, und dem Wimbledon-Start liegen nun nur noch zwei statt drei Wochen. Was das für die beiden Rasenturniere in Rosmalen und Stuttgart bedeutet, ist noch offen. Diese waren ursprünglich in jener Woche angesetzt, in der nun die French Open enden.
Was bedeutet das für Federer?
Verzichtet er auf Paris, fällt ihm die Hälfte der 720 Punkte aus der Wertung, die er durch den Halbfinal-Vorstoss 2019 gesammelt hat. Er läuft damit Gefahr, in der Weltrangliste aus den Top 8 zu fallen, was Auswirkungen auf die Setzung in Wimbledon haben könnte.
Spielt Federer in Paris, erhöht sich das Verletzungsrisiko, während sich die Erholungszeit vor der Rasensaison, auf die er seine Planung seit Monaten ausgerichtet hat, verkürzt. Ein gesundheitliches Problem in dieser Phase wäre auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele (ab 24. Juli) verheerend.
Federer, der im August seinen 40. Geburtstag feiert, hat sich im letzten Jahr zweimal am linken Knie operieren lassen und kehrte erst Mitte März in Doha in den Tennis-Zirkus zurück und machte bereits dort klar, dass er in Wimbledon wieder um den Titel spielen wolle. Er sagte:
Bei der Rückkehr offenbarte sich, dass Federer zwar das Tennisspielen nicht verlernt hat, körperlich aber noch weit von der Bestform entfernt ist. Auch deshalb zog er es vor, statt in Dubai und Miami Turniere zu spielen, mit Pierre Paganini an der Fitness zu arbeiten. «Ich bin immer noch im Aufbau. Ich muss noch stärker, noch schneller, noch explosiver werden», sagte Federer im März. Dabei war alles auf Wimbledon ausgerichtet: «Dann beginnt die Saison für mich erst richtig.» Vorgesehen war dabei auch, Turniere auf Sand zu bestreiten, was sich 2019 bewährt hatte. Nach Viertelfinals in Madrid und Rom, dem Halbfinal-Vorstoss in Paris und einem Turniersieg in Halle erreichte Federer in Wimbledon den Final.
Nicht ausgeschlossen ist, dass Federer Ende April bei einem kleineren Sandturnier spielt in Estoril oder München. Vorläufig gemeldet ist er für Madrid (ab dem 2. Mai) und Rom (ab dem 9. Mai). Die Verschiebung der French Open könnte für ihn aber auch neue Möglichkeiten eröffnen. Dann nämlich, wenn das Turnier in Stuttgart wie geplant über die Bühne gehen sollte. Statt in Paris sein Glück zu suchen, könnte Federer Matchpraxis auf Rasen sammeln. Allerdings spielte Stuttgart in seinen Überlegungen bisher keine Rolle, denn in der Woche darauf – zwei Wochen vor Wimbledon – findet das höher dotiert Turnier in Halle statt, bei dem er einen Vertrag auf Lebzeiten hat, und das er 2019 bereits zum zehnten Mal gewinnen konnte.
Sicher ist: Federer muss seine Pläne noch einmal überdenken und flexibel bleiben. Eine andere Frage ist, wie sehr er sich dabei von der Pandemie beeinflussen lässt. Von seiner ersten Erfahrung in einer Blase war er wenig angetan. In Halle wird ohne Publikum gespielt. Und auch in Wimbledon wird vieles anders sein. Nachdem das Turnier 2020 als einziges der vier Grand-Slam-Turniere ausgefallen war, soll in diesem Jahr unter strengen Sicherheitsbestimmungen durchgeführt werden. Aller Voraussicht nach werden sich die Spielerinnen und Spieler in Hotels einquartieren müssen. Federer hat es sich zur Gewohnheit gemacht, jeweils zwei Häuser für die ganze Familie und seine Entourage zu mieten. Für das leibliche Wohl sorgte ein eigener Koch. Annehmlichkeiten, die nun wegfallen.