Vollgepumpt mit Schmerzmitteln sei er, auf Trainings verzichtet er. Und wenn es nicht die Australian Open wären, dann hätte er sich schon lange zurückgezogen, sagt Novak Djokovic. Eine muskuläre Verletzung am Bauch sei es, sagt der Serbe. Alles nur ein Schauspiel, sagen seine Gegner.
Den Anfang machte Taylor Fritz, der Djokovic in der dritten Runde in einen fünften Satz gezwungen hatte. Sarkastisch merkte der Amerikaner an: «Ich freue mich für ihn, dass er sich so gut erholt hat. Wenn Djokovic wirklich verletzt gewesen wäre, hätte er nicht weiterspielen können.»
Vier Tage und zwei Siege später steht Djokovic bereits in den Halbfinals. Am Donnerstag setzte er sich mit 6:7 (6:8), 6:2, 6:4, 7:6 (8:6) gegen den Deutschen Alexander Zverev (23, ATP 7) durch. Dabei verspielte Zverev im dritten Satz eine 4:1-Führung, im vierten Satz eine 3:0-Führung. Und im Tiebreak des vierten Satzes wehrte Djokovic einen Satzball Zverevs mit einem Ass ab. Danach sagte Djokovic: «Dass ich mehr Asse serviert habe als er, ist für mich ein kleines Wunder.» Wie auch seine Genesung. Sein Physiotherapeut habe «magische Hände, die mir sehr geholfen haben».
Nach dem Halbfinal-Einzug setzte Djokovic zu einer Generalkritik an. Es sei definitiv nicht normal, wie viele Spieler verletzt seien. Grigor Dimitrov hatte mit Krämpfen zu kämpfen, der Italiener Matteo Berrettini konnte wegen einer Bauchmuskelverletzung nicht zu seinem Achtelfinal antreten. «Ich zeige nicht mit dem Finger auf jemanden. Ich will mich auch nicht beschweren. Ich sage einfach nur die Wahrheit.» Die 14-tägige Quarantäne vor dem Turnier habe Auswirkungen. Zur Erinnerung: Seit Freitag befindet sich Melbourne in einem fünftägigen Lockdown, der am Mittwoch endet.
Obwohl Djokovic in Melbourne mit acht Erfolgen Rekordsieger ist, geniesst er auch dort nicht den uneingeschränkten Rückhalt. Als er im Final gegen den Österreicher Dominic Thiem mit 1:2 Sätzen hinten gelegen war und sich für eine Behandlung in die Katakomben zurückzog, wurde das mit Pfiffen quittiert. «Er hat den Arzt, er hat den Physiotherapeuten, er hat viele Drinks, was zu essen – was fehlt ihm denn noch?», hatte TV-Experte John McEnroe damals geunkt.
Und der Australier Lleyton Hewitt, auch er eine ehemalige Nummer 1 der Welt, sagte: «Er liegt mit zwei Breaks hinten, es ist wohl der Spielstand, der ihn krank macht.»
Zumindest angeschlagen ins Turnier stieg auch Djokovics grösster Gegner: Rafael Nadal. Der Spanier kämpft mit muskulären Problemen und liess bis kurz vor Beginn der Australian Open offen, ob er antreten kann. Während der ersten Runde adaptierte er deshalb seine Aufschlagbewegung.
In den Griff bekommen hat der 34-jährige seine Beschwerden offenbar mit einem Eingriff, wie die spanische Zeitung «El Español» berichtet: Eine Spritze zwischen zwei Rückenwirbeln im unteren Rückenbereich. Zu den Details wollte er sich nicht äussern. Er sagte nur: «Ich habe wieder Hoffnung.»
Nadal steht ohne Satzverlust in den Viertelfinals der Australian Open, wo der 20-fache Grand-Slam-Sieger am Mittwoch um 9.15 Uhr auf den Griechen Stefanos Tsitsipas (22, ATP 6) trifft. Erst am Donnerstag wieder im Einsatz steht Novak Djokovic, der im Spiel gegen Zverev ein Racket zerlegte, und danach sagte: «Auch ich kämpfe mit meinen Dämonen. Für mich war das eine Erlösung.» Gegner des Titelverteidigers ist der Russe Aslan Karatsew (27, ATP 114), der erstmals im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers steht. Djokovic gibt zu: «Ich habe ihn bisher noch gar nie spielen sehen.»
Guess who's in the lead.#AusOpen | @DjokerNole pic.twitter.com/H5684fGi8E
— Tennis Channel (@TennisChannel) February 16, 2021
Aller Schmerzen, Probleme und Sperenzchen zum Trotz tanzen Rafael Nadal und Novak Djokovic munter weiter auf dem Ball der sterbenden Schwäne. Und das bald auch wieder vor Publikum: Für das Wochenende sind jeweils 12'500 Zuschauer pro Tag zugelassen. Der Final wird also vor vollen Rängen über die Bühne gehen. Vielleicht mit Djokovic und Nadal.
Würds den beiden gönnen...