Sport
Tennis

Tennis: Wie mehr Schweizer vom Sport leben könnten

Timo Schnegg, Schweizer Tennisspieler
Timo Schnegg hat den Traum vom Profi-Tennis beerdigt.Bild: zur verfügung gestellt

Kaum einer kann vom Sport leben: Schweizer tüftelt an einer Tennis-Revolution

Timo Schnegg gehört zu den 100 besten Tennisspielern der Schweiz, doch den Traum, vom Sport leben zu können, hat er mit nur 20 Jahren bereits beerdigt. Er wünscht sich bessere Perspektiven – und hat konkrete Ideen.
24.05.2020, 17:20
Simon Häring / ch media
Mehr «Sport»

Nur ein halbes Jahr hat es Timo Schnegg versucht, sich eine Existenz als Tennis-Profi aufzubauen. Doch die Einsamkeit, die Unsicherheiten und die immensen Kosten haben ihn zum Umdenken bewegt. Mitte Mai beendete er die Rekrutenschule, im Herbst beginnt er an der Universität Bern ein Studium der Betriebswirtschaftslehre.

Dabei ist Schnegg erst 20 Jahre alt und immerhin die Nummer 84 der Schweiz. Zu wenig, um vom Sport leben zu können. Selbst wer nur Turniere in der Schweiz bestreite, komme auf Kosten von 30'000 Franken pro Saison, wer auch im Ausland spielt, kommt schnell auf 50'000 Franken im Jahr. Für Sponsoren sind solche Spieler noch nicht interessant, und der Schweizer Tennisverband kann nur die besten Junioren des Landes adäquat unterstützen.

Timo Schnegg, Schweizer Tennisspieler
Timo Schnegg studiert ab Herbst Betriebswirtschaft.Bild: zur verfügung gestellt

Vom Tennis leben können nur eine Handvoll Schweizer Spieler: Neben den Grossverdienern Roger Federer, Stan Wawrinka und Belinda Bencic, die zu den Weltbesten gehören, sind das Timea Bacsinszky, Viktorija Golubic, Jil Teichmann, Stefanie Vögele, Henri Laaksonen und Conny Perrin sowie Xenia Knoll, die sich auf die Doppel-Konkurrenz spezialisiert haben. Reich werden sie damit nicht, Steuern, Reisekosten und Material fressen den Grossteil der Preisgelder auf, einen festen Trainer können sie sich kaum leisten.

Und gegen einen Verdienstausfall sind sie nicht versichert. Wird nicht gespielt, gibt es keine Preisgelder, die Existenz ist gefährdet. Geld auf die Seite legen können diese Athleten kaum. Selbst dann nicht, wenn sie ein Jahrzehnt zu den 100 besten der Weltsportart Tennis gehörten.

Viele scheitern in diesem gnadenlosen Verdrängungskampf bereits früher. Weil das Talent nicht ausreicht, eine Verletzung im dümmsten Moment dazwischen kommt, oder das Geld ausgeht. Timo Schnegg ist einer von ihnen. Er wünscht sich, dass künftig mehr Schweizerinnen und Schweizer vom Tennis leben können – und bringt konkrete Vorschläge:

Variante 1: Swiss Tennis Cup

Jeder Kanton/Regionalverband stellt ein Team, zusammengesetzt aus Elite-Männern und Elite-Frauen. Gespielt wird während neun Tagen nach einem noch zu definierenden Modus, der dem ATP-Cup ähneln soll.

Variante 2: Kantons-Cup

Die Teams sind gleich oder ähnlich zusammengestellt wie bei Variante 1. Der Modus ist dem alten Davis Cup und Fed Cup entliehen. Heisst: K.o-System. Gespielt wird über mehrere Wochen an den Wochenenden.

Variante 3: Kantons-Meisterschaft

Die Kantone würden zunächst in regionalen Gruppen ihren Vertreter an den Wochenenden ermitteln, analog zum Interclub-Modus. Die Sieger der Vorausscheidung treffen danach in Halbfinals und Finals aufeinander.

Variante 4: Firmen-Cup

Unternehmen alimentieren Spieler, die sie unter ihrem Namen antreten. Schneggs Vision: Die Geldgeber stellen die Spieler in Teilzeitpensen an, oder ermöglichen Praktika. In anderen Sportarten ist das weit verbreitet.

Variante 5: Swiss Cup

An stark frequentierten Schauplätzen wie auf dem Berner Bundesplatz, oder im Zürcher Hauptbahnhof werden Turniere veranstaltet. Das Konzept ist der Beachvolleyball-Tour entliehen. Zentral wäre der Eventcharakter.

Unterstützung erhält Timo Schnegg von höchster Ebene: Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach begleitet den Prozess. Er sagt, der Verband möchte mithelfen, dass sehr gute Spieler, die vom Tennis nicht leben können, so genannte Dropouts, die Freude am Sport nicht verlieren, und sich selbst in der Junioren-Förderung einbringen, was ein zentrales Anliegen der Regionalverbände von Swiss Tennis sei.

ARCHIVBILD ZUM KEYSTONE-SDA-TEXT ZU RENE STAMMBACH --- Rene Stammbach, Praesident Swiss Tennis, spricht bei der Einweihung der Swiss Tennis Arena, am Samstag, 8. April 2017, in Biel. (KEYSTONE/Peter K ...
Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach unterstützt Schneggs Visionen.Bild: KEYSTONE

Dafür müssten finanzielle Anreize in Form von Verdienstmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Serie mit Millionen-Budget würde Swiss Tennis nicht unterstützen, der Fokus liege auf dem Spitzensport, sagt Stammbach. Realistischer sei eine Turnier-Serie in den Monaten Februar und März. Swiss Tennis könnte diese mit Beträgen im tiefen fünfstelligen Bereich alimentieren. Junge Spieler könnten damit zwar nicht vom Tennis leben, würden dem Sport aber länger erhalten bleiben. Für das Schweizer Tennis wäre das eine kleine Revolution, entstanden aus Timo Schneggs Vision. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die besten Sport-Momente der 2010er-Jahre in 100 Bildern
1 / 102
Die besten Sport-Momente der 2010er-Jahre in 100 Bildern
2010: Federer holt in Melbourne seinen 16. Grand-Slam-Titel. Final-Verlierer Andy Murray unter Tränen: «Ich kann weinen wie Roger, aber leider nicht so gut Tennis spielen wie er.»
quelle: ap / rick rycroft
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Torontos berüchtigte Fuchsfamilie bringt Kanadier zum Durchdrehen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
_stefan
24.05.2020 17:46registriert September 2015
Tönt ja alles sehr spannend, aber bis auf Variante 4: "Firmen-Cup" steht nirgends wie das finanziert werden soll. In vielen anderen Sportarten ist es so, dass die Sportler einen verständnisvollen Arbeitgeber haben, welcher ggf. das "Hobby" auch zusätzlich finanziell unterstützt (Segeln, Spitzen-Curling, etc.).

Wenn man bedenkt, dass ein Davis Cup -Wochenende in Biel nicht mal 1000 Zuschauer anzieht und für Swiss Tennis jeweils ein Minus von 300'000 Franken bedeutet, sind diese Ideen illusorisch.
1152
Melden
Zum Kommentar
avatar
maylander
24.05.2020 18:30registriert September 2018
Den HB Zürich für einen Event zu mieten kostet eine sechstellige Summe. Und wer will sich schon irgendwelche Nobodies ansehen?
Es können halt nur wenige vom Sport Leben und für den Rest ist es ein mehr oder weniger teures Hobby.
1133
Melden
Zum Kommentar
avatar
BlickvonAussen
24.05.2020 18:16registriert Dezember 2019
Ich betrachte Sport als Freizeitbeschäftigung und nicht als berufliche Tätigkeit. Hobbys sind als Ausgleich gedacht und nicht damit Geld zu verdienen.
Es fehlt nur noch, dass man für Dreijährige Cup-, kantonale oder nationale Meisterschaften in Schlittenfahren einführt. Einfach wieder auf den Boden der Realität oder auf die Wurzeln der ursprünglichen Idee zurückkehren.
7811
Melden
Zum Kommentar
13
7 Mal, als ein bisschen Stoff für ganz viele Diskussionen sorgte
Für die neue Olympia-Kleidung der US-Leichtathletinnen muss Hersteller Nike viel Kritik einstecken. Es ist nicht das erste Mal, dass der Bekleidungsstoff von Athleten – oder meistens Athletinnen – für Diskussionsstoff sorgt.

Im Rahmen des Nike Air Innovation Summit stellte der Kleiderhersteller auf einem Pariser Laufsteg die Kollektion für die Olympischen Sommerspiele vor. Für grossen Diskussionsstoff sorgte eine Variante des Sprint-Dresses der US-amerikanischen Frauen. Kritikpunkt: die tief ausgeschnittene Intimzone, die eher an einen Badeanzug à la «Baywatch» erinnert als an Funktionskleidung.

Zur Story