Erstmals seit 1999 verpasst Roger Federer die Australian Open. Sein letzter Ernstkampf liegt nun schon fast ein Jahr zurück. Seine Rückkehr in den Tennis-Zirkus hat der Baselbieter auf Ende Februar oder Anfang März angekündigt. Dies, nachdem er sich Anfang und Mitte des letzten Jahres zwei Mal am linken Knie hat operieren lassen und den Rest der Saison verpasst hatte.
Statt wie ursprünglich geplant Mitte August kehrte der 39-Jährige erst Mitte Oktober auf den Platz zurück. Derzeit bereitet sich Federer an seinem Zweitwohnsitz Dubai auf die Saison vor. Zuletzt mit dem Berner Dominic Stricker, dem Junioren-Sieger der French Open, der nicht halb so alt wie Federer ist.
Stricker zeigte sich beeindruckt, gegenüber dem Schweizer Tennisverband sagte er: «Es ist beeindruckend, zu sehen, wie schnell Roger umschaltet: In den Pausen ist er sehr locker drauf, und sobald er das Racket in die Hand nimmt, wechselt er in den Trainingsmodus – dann ist er auf einmal höchst konzentriert.» Das deckt sich mit den Eindrücken von Spielern, die in der Vergangenheit mit Federer trainiert haben. Abseits des Schwenkbereichs der Kameras arbeitet er weitaus härter, als viele das vermuten. Es ist das Los des Künstlers, dass leicht aussieht, was beschwerlich ist.
Im August feiert Roger Federer seinen 40. Geburtstag. Noch einmal an die Weltspitze vorzustossen, ist vielleicht die schwierigste Herausforderung in seiner Karriere. Als umso glücklicher erweist sich der Umstand, dass er bei seiner Rückkehr keinen Zeitdruck verspürt. Denn was unter den Querelen rund um die positiven Coronafälle bei den Australian Open unterging, ist eine Regeländerung, welche die Profi-Vereinigung ATP vor einigen Tagen kommunizierte. Im Oktober hatte man von einem Jahresranking auf ein Zweijahresranking umgestellt. Nun wurde die Frist bis 15. März verlängert.
Was heisst das konkret? Federer – und allen seinen Konkurrenten – fallen bis dahin keine Punkte aus der Wertung. Wer in dieser Periode ein Turnier zwei Mal (oder im Fall der Australian Open bald drei Mal) bestritten hat, bei dem wird künftig nur das bessere oder beste Resultat beim selben Turnier berücksichtigt. Heisst: Anders als bisher fallen Federer die 720 Punkte für die Halbfinal-Qualifikation im Vorjahr (Niederlage gegen Novak Djokovic und zugleich letztes Wettkampfspiel) erst im Januar 2022 aus der Wertung. Federer wird bei seiner Rückkehr also noch den Top Ten angehören.
Sogar die 400 Punkte, die Federer durch die beiden Gruppensiege bei den Finals der acht Jahresbesten 2019 eingespielt hat, fallen ihm erst Ende des Jahres aus der Wertung. Die Platzierung in der Weltrangliste verschafft ihm nicht nur Zeit, sondern verhilft ihm auch dazu, dass er vom Status eines Gesetzten profitiert und damit in den frühen Runden sicher auf schlechter klassierte Gegner trifft, was beim Wiedereinstieg hilfreich sein dürfte. Wäre die Weltrangliste wegen der Coronapandemie nicht eingefroren worden, Federer hätte Ende Januar gar kein Ranking mehr.
Kehrseite der Medaille: Wegen der Anpassung an der Weltrangliste wird Federer eine weitere Rekordmarke verlieren. Denn Novak Djokovic wird am 8. März seine 311. Woche an der Spitze der Weltrangliste in Angriff nehmen und damit Federers bisherigen Bestwert übertreffen. Rafael Nadal, der im letzten Herbst mit seinem 13. Erfolg bei den French Open Federers Bestmarke von 20 Grand-Slam-Titeln eingestellt hatte, hatte zuvor noch theoretische Chancen, Djokovic an der Spitze der Weltrangliste abzulösen. Dass diese Bestmarke fallen würde, war aber schon länger absehbar.