Die NBA der 1970er Jahre unterscheidet sich drastisch von der heutigen. Sie gleicht mehr der NHL. Der Sport ist extrem physisch, Schlägereien sind an der Tagesordnung. Es dominieren nicht die brillanten Techniker, sondern die rohen Arbeiter, die «Enforcer».
Auch Kermit Washington ist so ein Enforcer. Der Power Forward der Los Angeles Lakers wird vor allem für seine physischen Qualitäten geschätzt. Diese kommen auch an diesem Sonntag, dem 9. Dezember 1977, im legendären «Forum» zum Tragen.
Im Heimspiel gegen die Houston Rockets streitet sich Washington mit Kevin Kunnert intensiv um einen Rebound, die beiden werden handgreiflich, teilen Schläge aus, was Kareem Abdul-Jabbar dazu veranlasst, seinem Teamkollegen zu Hilfe zu eilen. Der Superstar der Lakers, der später zum NBA-Allzeit-Topskorer werden sollte, ist selbst kein Kind von Traurigkeit. Im Eröffnungsspiel der Saison hatte er mit einem fiesen Revanchefaustschlag seinem Gegner den Kiefer und sich die Hand gebrochen.
Abdul-Jabbar kümmert sich also um Kunnert, bevor alles plötzlich ganz schnell geht. Rudy Tomjanovich von den Rockets stürmt nun auch mit vollem Karacho in den Kampf. Kermit Washington nimmt das in seinem Rücken spät wahr und handelt instinktiv: Mit einer knallharten Geraden, später nur noch als «The Punch» bekannt, streckt er den heranbrausenden 2,03-Meter-Hünen nieder. Tomjanovich schlägt mit dem Kopf heftig auf dem Parkett auf und bleibt in einer Blutlache liegen.
Es wird totenstill im Stadion. Tomjanovichs Teamkollege Mike Newlin beschreibt es als «das lauteste Schweigen, das man je gehört hat». Rudy Tomjanovich kann sich zwar aus eigener Kraft erheben, doch in den Katakomben wird das Ausmass des Aufpralls schnell klar: Der Schädel des Amerikaners ist Matsch, Gehirnflüssigkeit läuft ihm den Rachen hinunter.
Der 29-Jährige steht unter akuter Lebensgefahr. Zu seinem Glück wird er aber genügend schnell versorgt und kann im Spital gerettet werden. «Es war, wie eine zerstückelte Eierschale mit Leim zusammenzukleben», schildert der leitende Arzt das Vorgehen später.
Tomjanovich erholt sich und kehrt sogar auf den Court zurück, der ehemalige All-Star ist aber nicht mehr derselbe, hat nicht mehr dieselbe Klasse und tritt 1981 zurück. Danach sattelt er um und wird Trainer. Erst ist er elf Jahre Assistent bei den Houston Rockets, bei denen er 1992 zum Headcoach befördert wird. Ein guter Zug: 1994 und 1995 werden die Texaner unter ihm Meister.
2003 kam seine Karriere nach 33 Jahren bei den Rockets wegen einer Blasenkrebs-Diagnose zu einem Halt. Nur ein Jahr später trat er bei den Los Angeles Lakers das schwere Erbe von Phil Jackson (Titel 2000, 2001 und 2002) an, seine körperliche Verfassung liess das Traineramt aber lediglich 41 Spiele zu. Seither amtet Tomjanovich als Konsultant für den Verein und daneben auch als Scout für «USA Basketball», dessen Nationalteam er 2000 in Sydney zu Gold führte.
Weniger gut meinte es das Schicksal mit Kermit Washington. Seine Kollegen beschreiben ihn zwar als «netten Kerl», doch nach seinem Aussetzer wird er ligaweit geächtet. Er wird mit einer Busse von 10'000 Dollar belegt und für 60 Spiele gesperrt. Die Lakers wollen ihn danach nicht mehr in ihren Reihen haben und schieben ihn umgehend zu den Boston Celtics ab.
Für Washington beginnt ein Spiessrutenlauf. Spiel für Spiel wird er ausgebuht. Da hilft es auch nicht, dass er 1979/80 für die Portland Trail Blazers eine herausragende Saison spielt und das einzige Mal in seiner Karriere ans All-Star Game berufen wird. Der Forward spielt nach einer zwischenzeitlichen Pause zwar bis 1988 in der NBA, verfällt aber ob seiner Situation in eine Depression.
Erlösung findet er erst, als er sich von seiner Passion Basketball löst. 1994 entschliesst sich Kermit Washington im Zuge des Völkermords in Ruanda, in Afrika karitativ tätig zu werden. Der damals 43-Jährige hilft eigenhändig im Krisengebiet mit und baut später Waisenheime und Schulen. Dank seinen Projekten findet er seinen Seelenfrieden wieder und kehrt sogar zeitweise als Assistenztrainer in der amerikanischen D-League (D für Development) ins Basketball-Business zurück.
Danach ist er unter anderem Regional-Repräsentant für die Spielergewerkschaft NBPA, aber das Happy End bleibt aus. 2018 wird er wegen Veruntreuung von Spendengeldern für seine Wohltätigkeitsorganisation «Project Contact Africa» zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.