Am 5. Spieltag der Bundesliga treffen im Frankfurter Waldstadion vor 59'500 Zuschauer die Eintracht und Bayern München aufeinander. Sehr zur Freude des Heimpublikums gehen die Hessen in der 33. Minute durch Bachirou Salou mit 1:0 in Führung.
Nach der Pause hat Jan Aage Fjörtoft sogar die 2:0-Führung auf dem Fuss, doch der Norweger scheitert per Elfmeter an Oliver Kahn. Der Bayern-Keeper steht auch in der nächsten Szene im Mittelpunkt; allerdings weit weniger erfreulich als bei der Penalty-Parade von zuvor.
Der Bayern-Schlussmann will Sami Kuffour in dessen Duell mit Salou zu Hilfe eilen, stürmt aus dem Tor und schnappt sich den Ball. Kuffour indes scheint weit weniger geistesgegenwärtig zu sein. Er erfasst die Situation zu spät und springt volle Kanne in seinen Torhüter hinein. Mit dem Knie trifft der Ghanaer Kahn an die Schläfe, worauf der 30-jährige Goalie bewusstlos am Boden liegen bleibt.
Oli Kahn kommt zwar wieder zu Bewusstsein, an ein Weiterspielen ist aber nicht mehr zu denken. Für die benommene Nummer 1 kommt Ersatz-Keeper Bernd Dreher ins Spiel. Dieser wird seinem Namen absolut gerecht, verdreht sich nur acht Minuten später das Knie und muss vom Platz getragen werden. Auch bei dieser Verletzung ist kein Frankfurter involviert. Die Bayern sind auf bestem Wege, sich wortwörtlich selbst zu schlagen.
Coach Ottmar Hitzfeld kann nach diesem Vorfall nur noch den Kopf schütteln. Beide Torhüter out, 0:1-Rückstand: Was gibt es da noch auszurichten? Als sich Michael Tarnat dazu bereit erklärt, ins Keeper-Dress zu steigen und für die verbleibenden 30 Minuten ins Tor zu gehen, würde wohl auch der risikofreudigste Zocker sein Geld nicht mehr auf die Münchner setzen.
Zum Erstaunen aller geht mit der Einwechslung von «Tanne» Tarnat aber ein Ruck durch das Bayern-Kollektiv. Lediglich vier Minuten nachdem der Feldspieler seinen Posten zwischen Pfosten einnimmt, schiesst Giovane Elber das 1:1. In der 80. Minute kommt es für die Gäste gar noch besser. Ausgerechnet Kahn-Schreck Sami Kuffour kann per Kopf den 2:1-Führungstreffer erzielen.
Und Michael Tarnat? Dass er eine gute Figur im Tor macht, kann man in Anbetracht des überdimensionierten Keeper-Shirts nicht behaupten; doch der Neo-Schlussmann kann – wenn auch hin und wieder etwas unkonventionell – seinen Kasten tatsächlich dichthalten. Kleines Schmankerl gefällig? Bitte sehr:
Mehmet Scholl sollte recht behalten: Die Bayern zeigen eine ansprechende Saison und sichern sich am letzten Spieltag die Meisterschale. Allerdings auch nur, weil Leverkusen – von diesem Tag an auch Vizekusen genannt – es nicht fertig bringt, in Unterhaching den einen nötigen Punkt einzufahren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Geschichte von Oli Kahn und Sami Kuffour soll hier aber noch kurz zu Ende erzählt werden. Die beiden Hitzköpfe bleiben dem FC Bayern noch viele Jahre treu: Kuffour verlässt die Deutschen im Jahr 2005, Oli Kahn spielt sogar noch bis 2008 weiter. In ihrer langen gemeinsamen Zeit in der Bayern-Defensive geraten sie immer mal wieder aneinander und haben ein durchaus ambivalentes Verhältnis zueinander.
Die schönste Anekdote hierzu stammt aus dem Viertelfinal-Rückspiel der Champions League zwischen Bayern München und Manchester United im Jahr 2001: Nach einem Rencontre mit ManUtd-Stürmer Andy Cole verliert Oliver Kahn erneut das Bewusstsein. Sami Kuffour, für den die Kahn-Blackouts nichts Neues sind, eilt sofort herbei und versucht den Torhüter mit einer improvisierten Mund-zu-Mund-Beatmung wieder ins Diesseits zu befördern.
Und siehe da: Wenige Sekunden später steht der Bayern-Keeper wieder auf den Beinen. Ob es an Kuffours Wiederbelebungs-Kuss lag? Oliver Kahn meint dazu salopp: «Ich habe seine Liebkosungen gar nicht mitbekommen.»