Robert J. Samuelson gehört zu den erfahrensten wirtschaftlichen Kommentatoren in den USA. Als er in den Siebzigerjahren zu schreiben begann, hat er sich geschworen, niemals das Wort «Depression» in den Mund zu nehmen. Zu unwahrscheinlich schien es ihm, dass es jemals wieder zu einem Absturz der Wirtschaft kommen würde, der eine Arbeitslosenquote von über 20 Prozent und ein Schrumpfen des Bruttoinlandprodukts von gegen 50 Prozent zur Folge haben und der jahrelang dauern würde.
Nun hat Samuelson seinen Schwur gebrochen. In seiner jüngsten Kolumne in der «Washington Post» schreibt er:
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Politiker gelernt, Abschwünge der Wirtschaft mit den Instrumenten von John Maynard Keynes aufzufangen. Die Notenbank senkte die Zinsen und der Staat erhöhte seine Ausgaben. Damit kam man mehr oder weniger schmerzlos über die Runden.
Wegen der Coronakrise haben die Staaten in den entwickelten Ländern Hilfspakete in der Höhe von Milliarden, ja Billionen geschnürt. Die Notenbanken fluten die Märkte geradezu mit Geld. Der Erfolg hält sich in Grenzen. Kenneth Rogoff, Harvard-Professor und Co-Autor des in der Finanzkrise einflussreichen Buches «This Time is Different», gibt in der «New York Times» zu Protokoll:
Es gibt bisher kaum Indizien, die auf ein rasches Ende der Coronakrise hindeuten. Inzwischen haben fast alle Länder Bleibt-zuhause-Regeln aufgestellt und diese Regeln bis mindestens Ende April verlängert. Weil damit die Wirtschaft in ein künstliches Koma versetzt wird, schnellen die Arbeitslosenzahlen steil in die Höhe, während die Börsenkurse in den Keller rasseln.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Volkswirtschaften der beiden Supermächte.
In den USA sieht es noch zappenduster aus. Letzte Woche sind über drei Millionen Gesuche für Arbeitslosenunterstützung eingetroffen. Diese Woche waren es doppelt so viel, 6,6 Millionen.
Dabei ist der Höhepunkt der an Covid-19 Erkrankten noch lange nicht erreicht. Im Bundesstaat New York, dem Epizentrum der Epidemie, wird er nicht vor zwei Wochen erwartet. Landesweit ist die Zahl der Infizierten deutlich über 200’000, die Zahl der Toten über 5000 geklettert.
Selbst Präsident Trump scheint nun den Ernst der Lage erkannt zu haben. Die nächsten zwei Wochen würden sehr hart werden, erklärte er jüngst an seiner täglichen Pressekonferenz. Anthony Fauci, das Gewissen der Coronakrise, sprach derweil von 100’000 bis 240’000 zu erwartenden Toten.
Offiziell gibt es in China kaum neue Infizierte. So richtig glauben mag man es jedoch nicht. Der wirtschaftliche Schaden ist jedoch bereits jetzt immens. In der «Financial Times» stellt Diana Choyleva, Chefökonomin der Enodo Economics in London, fest:
Im ersten Quartal ist das chinesische BIP um 9,4 Prozent gesunken, im zweiten wird mit einem Minus von 2,1 Prozent gerechnet. Obwohl auch in China alles unternommen wurde, um die Jobs zu sichern, lag die Arbeitslosenquote Ende Februar bei 6,2 Prozent.
Düster sieht die Lage auch in Europa aus. In Italien und Spanien wütet die Epidemie besonders heftig. Es ist absehbar, dass die Volkswirtschaften dieser Länder nur mit massiven Hilfspaketen wieder auf die Beine gebracht werden können. Dazu braucht es auch die Solidarität der übrigen Euroländer. Davon ist nichts zu spüren. Deutschland und Holland wehren sich mit Händen und Füssen gegen sogenannte Coronabonds.
Am schlimmsten werden jedoch die Schwellenländer leiden. Das ausländische Kapital nimmt Reissaus und die Rohstoffpreise sacken ab. Dazu kommen finanzielle Verpflichtungen. Gemäss einem Report der Uno-Handelsabteilung müssen die Schwellenländer bis Ende Jahr gesamthaft Schulden in der Höhe von 2,7 Billionen Dollar zurückerstatten.
Normalerweise wäre dies mit Umschuldungen zu stemmen gewesen. Nun ist dies sehr unsicher geworden. UN-Vertreter Richard Kozul-Wright befürchtet daher in der «New York Times», dass diese Länder «von einem Wirtschaftsschock getroffen werden noch bevor der Gesundheitsschock zuschlägt.»
Zu Beginn der Coronakrise bestand die Hoffnung, dass die Wirtschaft kurzeitig in ein künstliches Koma versetzt werden müsse, um das Virus zu besiegen. Danach würde sie sich jedoch rasch wieder erholen und kräftiger denn je zurückkehren.
Dieses Szenario ist immer noch möglich. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass die Weltwirtschaft massiv geschwächt aus dem Koma erwachen wird, und dass wir Glück haben müssen, dass sie nicht in eine langjährige Depression verfällt.
Aber wäre nicht eh Korrekturen erwartet worden? Die Börsenkurse gingen so lange und steil nach oben wie noch nie. Die Immobilienpreise kennen seit Jahren auch nur die Richtung nach oben.
Immer öfter war von Blasen die zu platzen drohten zu lesen. Rettungsschirm hier, Staatsverschuldung da. Als Laie hatte man da oft das Gefühl, dass mit Pflästerlipolitik versucht wird der grosse Knall zu verhindern in der Hoffnung das sich irgendwie alles wieder einrenkt.
Corona beschleunigt was eh nicht mehr zu verhindern war?