Die Beschattungsaffäre um das angebliche Banking-Wunderkind Iqbal Khan ist in vollem Gange. Nun ist quasi ein Wettbewerb unter den Beteiligten ausgebrochen: Wer kommt am besten aus dieser Affäre raus? Oder besser gesagt: Wer kommt am wenigsten schlecht aus der Affäre heraus? Denn eine gute Figur gibt keiner der Beteiligten in dieser Affäre, in der viele Angaben noch nicht gesichert sind, ab.
Zuletzt wurde nun ein Detektiv-Büro in die Affäre reingezogen – und versucht mit einem Report seinen Ruf zu schützen, wie alle anderen Beteiligten auch. Am Wochenende ging der Thriller durch die Medien, die Stichworte dazu: drei Detektive, tätowierter Unterarm, dilettantisches Vorgehen, Versuch Khans Handy zu entwenden, Gerangel, Khan informiert Polizei, Detektive vorübergehend in Haft, nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Zunächst blieb das Detektivbüro unbekannt. Nun ist eine Information durchgesickert. Eine «mit den Umständen vertraute Person» hat der NZZ mitgeteilt: Eine Detektei aus Otelfingen im Kanton Zürich mit Namen Investigo soll mit der Beschattung von Khan beauftragt worden sein. Die Besitzer der Datei heissen Cyrill und Swen van Altena und sind laut eigenen Angaben schon seit zwanzig Jahren im Sicherheitsgeschäft tätig. Normalerweise beschatten sie eher Sozialhilfeempfänger. Ihre Beschreibung brachte das Branchenportal „Inside Paradeplatz“ etwas brutal so auf den Punkt: «Mini-GmbH in Züri-Pampa».
Von dieser Investigo gelangte nun via «Inside Paradeplatz» ein «Memo» an die Öffentlichkeit. Investigo beschreibt darin ihre Sicht der Vorgänge. Es ist eine Art von Rechtfertigung, vermutlich erstellt für den Auftraggeber, die Grossbank Credit Suisse. In Abweichung der bisher kursierenden Darstellung hätten nicht drei Detektive die Beschattung von Khan ausgeführt. Nur ein Mitarbeiter sei allein im Auto gesessen. Der Mitarbeiter habe sich «gemäss Instruktion defensiv verhalten.»
Defensiv heisst gemäss Memo: Der Detektiv reagiert passiv, Khan hingegen aktiv. Khan sei auf den Detektiv zugegangen, nachdem dieser aus dem Auto gestiegen war. Khan habe laut gerufen, mit den Händen gestikuliert, nach der Polizei gerufen. Der Detektiv habe sich abgewendet, sei davon gegangen. Khan sei ihm nachgegangen. (Im Memo wird er mit ZP bezeichnet, also Zielperson). Khan habe versucht, den Detektiv zu fotografieren. Dieser habe die Hand in Richtung Handy gehoben und gesagt, er möchte nicht fotografiert werden, und sei weitergegangen. Khan habe ihn noch eine kurze Zeit «verfolgt» und dann von «ihm abgelassen».
«Verfolgt» und «von ihm abgelassen»: Die Wortwahl gibt die Botschaft mit: Khan war der Täter, der Detektiv mehr das Opfer. Die Detektive rechtfertigen ihr Verhalten. Und im Memo eingebaut ist noch ein Satz, der für die Credit Suisse als mutmasslichen Auftraggeber wichtig ist: Der Mitarbeiter hat sich «gemäss Instruktion defensiv verhalten.» Übersetzung: Mafia-Methoden waren das nicht, alles war schön «passiv». Und im nächsten Absatz wird im Detail beschrieben, was «passiv» genau bedeuten soll.
Man habe «tagsüber» zu überwachen, nicht am Wochenende. Man dürfe keine strafrechtlich relevanten Handlungen begehen, wie zum Beispiel Hausfriedensbruch. Man solle nicht gegen das Strassenverkehrsgesetz verstossen, man solle immer grossen Abstand halten zu Khan, nicht zu nahe kommen. Quasi eine Beschattung im Kuschelmodus. Was wollte man damit erreichen? Auch das wird fein säuberlich beschrieben: Man sollte herausfinden, was Khan macht, mit wem er sich trifft, man solle versuchen, seine Kontaktpersonen zu identifizieren.
Die Detektei Investigo steht natürlich unter Druck. Von Berufskollegen wird ihr Vorgehen als «dilettantisch» kritisiert. Immer unter der Voraussetzung, dass es sich zugetragen hatte wie in der ursprünglichen Version. Nun stehen zwei Versionen im Raum. Die Credit Suisse hatte gestern in einer internen Mitteilung die bisherige Darstellung als «sensationsgetrieben» kritisiert. Die Vorgänge und Fakten würden nicht akkurat beschrieben. Später kündigte die Grossbank an, man leite eine Untersuchung an, um die genauen Fakten zu ermitteln.
Auch nicht gut weg kommt in dieser Affäre bislang Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam. Er wird in der bisherigen Berichterstattung immer wieder verdächtigt, er habe Khan beschatten lassen. Parallel kursieren Informationen, wonach Thiam sich nicht um die Gepflogenheiten in der Schweiz und am hiesigen Finanzplatz schere. Zum Beispiel wird in der NZZ angeprangert, es herrsche eine «Kultur der uneingeschränkten Loyalität zu Thiam». Er führe die Bank mit einem kleinen Team von Getreuen, die ihm schon auf seinen früheren Stationen «ergeben dienten».
Damit wird Thiam zu einem Sündenbock für die Affäre gemacht. Diese Deutung der Beschattungsaffäre folgt einem bekannten Muster: Wann immer irgendwo in einem Schweizer Konzern ein Ausländer zum Chef wird, ist der gleiche Vorwurf sehr nahe. Der Amerikaner, die Deutschen oder die wie auch immer würden die Kontrolle an sich reissen, die Schweizer im Konzern würden an die Seite gedrückt. So oder so wird Thiams Position durch die Khan-Affäre geschwächt. Und damit die Ambition, die ihm nachgesagt wird: er wolle Urs Rohner als Präsident beerben.
Urs Rohner wird als Verwaltungsratspräsident ebenfalls in die Affäre hineingezogen. Auch er muss schauen, möglichst unbeschadet wieder rauszukommen. Das wird nicht einfach. Wenn Thiam tatsächlich den Auftrag zur Beschattung gegeben haben sollte, sieht es schlecht aus für ihn: Er ist der Mann, der Thiam zum Chef gemacht hat. Dafür lobte er sich wiederholt selber. Wenn Thiam nichts damit zu tun hatte, wenn sich kein klarer Sündenbock findet, kein Verantwortlicher, dann sieht es kaum besser aus: Wie konnte es unter der Aufsicht von Rohner zu einem solchen Auftrag kommen? Wer übernimmt dafür die Verantwortung?
Rohner versucht nun, sich ins rechte Licht zu rücken. Er will in dem grossen Beschattungs-Drama die Rolle des grossen Aufräumers übernehmen. Der Verwaltungsrat habe sich entschieden, eine Untersuchung der Vorfälle einzuleiten, stand gestern in einer Medienmitteilung der Credit Suisse. Die mit der Untersuchung beauftragten Personen würden «direkt» an den Verwaltungsratspräsidenten rapportieren. Übersetzung: Nun übernimmt Rohner den Fall. Rohner wird für Klarheit sorgen.
Khan kam in dieser Affäre bisher die Rolle des Opfers zu. Das Banken-Wunderkind. Sein Wechsel zur Grossbank UBS ist für seinen ehemaligen Arbeitgeber dermassen wichtig, dass zu einer Überwachung gegriffen wird. Aber Khans Position ist verletzlich. Wie allen anderen Beteiligten wird er in den gleichen Wettbewerb hineingezogen: Wer kommt möglichst unbeschadet aus dieser Affäre? Das heisst: Die andere Beteiligten können nur gewinnen, wenn der Ruf von Khan leidet. Also werden noch mehr Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Das Memo aus der Züri-Pampa war wohl erst der Anfang. (mim/bzbasel.ch)
Blutige Dilettanten.