Ein Musikstudio in Zürich, eine Sauna im Appenzell, ein Buch über Ziegen: Über Crowdfunding kann jede und jeder für eigene Projekte Geld sammeln oder ausleihen. Die Anzeigen reichen von «Ich kann zurzeit meine Steuern nicht zahlen» über «Wer finanziert mir meinen Sprachaufenthalt?» bis zur Suche nach finanziellen Partnern für Unternehmen und Investoren für Start-Ups – mit Zinsen und Gewinnbeteiligung. Das sind teilweise typische Bankgeschäfte. Doch bei Crowdfunding ersetzt die Masse die Bank.
Das beunruhigt die grösste Bank der Welt so sehr, dass sie Konsequenzen gezogen hat: Am Donnerstag hat Wells Fargo ihren Mitarbeitern verboten, Crowdlending zu betreiben, eine Form von Crowdfunding, bei der Konsumkredite, sogenannte Peer-to-Peer-Aktionen, vergeben werden. Der Grund: Solche Aktivitäten würden einen Interessenkonflikt darstellen.
Im soeben erschienenen Buch Next Generation Finance von Robert Lempka und Paul D. Stallard schreibt Zack Miller, Community-Verantwortlicher bei Our Crowd, einer führenden Plattform für Online-Investments: «Crowdfunding wird die Art, wie wir investieren, fundamental verändern. Die Finanzbranche hinkt bei innovativen Möglichkeiten, die das Internet bietet, noch immer hinterher.» Der grosse Vorteil: Crowdfunding sei losgelöst vom Raum nicht mehr auf lokale Strukturen angewiesen.
Bereits vor rund einem Jahr schrieben die Journalistinnen Anja Dill und Heike Leiter im GDI Impuls: «Crowdfunding, das als Spiel für Vermögende begonnen hatte, ist auf dem Weg zum Volkssport – und könnte sich zur Gefahr für die Bankbranche auswachsen.» Auch wenn sie derzeit nur eine Nische besetzen würden, so die Autorinnen, würden die «neuen, persönlichen, ein klein wenig anarchischen Anlageformen schon jetzt Banken unter Druck setzen.»
Nicht so in der Schweiz: Andreas Dietrich, Professor am Institut für Finanzdienstleistungen Zug, untersucht zurzeit den Schweizer Crowdfunding-Markt. «Jener Bereich des Crowdfunding, der die Banken konkurrenzieren könnte, nämlich die Vergabe von Konsumkrediten (Crowdlending), spielt mit 2—3 Millionen Volumen noch eine untergeordnete Rolle.» Im Gegensatz zu Plattformen in den USA könne in der Schweiz noch keine Plattform die Geschäfte der Banken angreifen.
«Das meiste sind keine konkurrenzierende, sondern eher ergänzende Angebote», sagt Dietrich. Doch Crowdfunding ist auf dem Vormarsch. Immerhin verzeichnete das Modell seit der Gründung der von Cashare 2008 jedes Jahr eine Wachstumsrate von über 100 Prozent. «Der Bereich wird wachsen. Verschiedene Plattformen werden es schaffen und so grosse Volumina erreichen, dass es ökonomisch Sinn macht, die Plattformen zu betreiben.»
In den nächsten fünf Jahren werden die Plattformen keine ernsthafte Konkurrenz für die Banken, prognostiziert Dietrich. Doch Innovationen sind gefordert. Beispielsweise das Aufschalten von eigenen Crowdfunding-Plattformen, wie zum Beispiel das Angebot der deutschen Volksbank Bühl (‹Viele schaffen mehr›). «Das dient derzeit zwar eher noch Marketingzwecken als der Erschliessung neuer Investitions-Märkte, könnte aber bedeutender werden.»