Beide Schweizer Grossbanken, CS wie die UBS, sind geschrumpft und wiegen an der Börse weniger als mancher Industriekonzern. International haben sie längst nicht mehr die Bedeutung wie vor einem Jahrzehnt. Damals wurde Urs Rohner zum Verwaltungsratspräsidenten der Credit Suisse gewählt. Doch die Löhne an der Bankenspitze sind nach wie vor weltweit top - und die mediale Aufmerksamkeit ebenso, wenn es um die Besetzung der obersten Posten geht.
Und so wird seit Wochen spekuliert, wer im kommenden Frühling CS-Präsident werden könnte, wenn Urs Rohner aufgrund der Amtszeitbeschränkung zurücktreten wird. Nun lichten sich die Nebel. CH Media hat aus Verwaltungsratskreisen erfahren, was Sache ist.
Die «Finanz und Wirtschaft» berichtete am Samstag: «Die CS könnte die erste weibliche Verwaltungsratspräsidentin erhalten.» Die Finanzzeitung schrieb, die 51-jährige Britin Blythe Masters sei Favoritin für das Präsidium. Sie war 27 Jahre lang Managerin bei der grössten US-Bank JP Morgan. Sie wird den CS-Aktionären an der Generalversammlung vom 30. April 2021 als neue Verwaltungsrätin vorgeschlagen. Urs Rohner, der gern eine Frau als seine Nachfolgerin sähe, sagte zu ihrer Nomination, Masters sei eine «äusserst erfahrene Führungskraft».
Doch Insider berichten gegenüber CH Media, fürs Präsidium sei Masters nicht vorgesehen. Die CS werde keine Frau als oberste Chefin erhalten; mit der vorgeschlagenen Zuwahl von Blythe Masters sowie der ebenfalls neu nominierten Risikospezialistin Clare Brady in den Verwaltungsrat werde die CS auch sonst deutlich weiblicher werden. Sie ersetzen zwei Männer. Der Frauenanteil im CS-Verwaltungsrat steigt dadurch von drei auf fünf (bei insgesamt 13 Mitgliedern).
Als Kronfavoriten bezeichnet das Finanzportal «Finews» den Verwaltungsrat Andreas Gottschling. Der Deutsche sitzt seit 2017 in diesem Gremium. Das Portal nennt die Coronakrise als Grund dafür, dass die Kür eines bisherigen Verwaltungsrats zum Präsidenten wahrscheinlich sei. Die Pandemie habe den Suchprozess erschwert, etwa wegen der Reise-Einschränkungen. Für Gottschling spreche, dass er unter anderem bei der Deutschen Bank und bei LGT sowie als Berater bei McKinsey gearbeitet habe und dadurch die bankfachliche und die internationale Expertise mitbringe. Auch die «Sonntagszeitung» nannte den Namen Gottschling. Doch aus dem Verwaltungsrat kommen andere Signale. Ein «Gott» genügt ihm offenbar - gemeint ist Thomas Gottstein, der im Februar inthronisierte neue Chef der Credit Suisse.
Es laufe vielmehr auf einen Externen hinaus, auf einen Mann, der noch nicht im CS-Verwaltungsrat sei, sagen Insider. Der Name wird streng vertraulich behandelt. Am 27. November soll er anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung der Öffentlichkeit präsentiert werden, so der Plan. Diese Aktionärsversammlung wird einberufen, um über die zweite Dividendenausschüttung zu entscheiden, die nach einer Intervention der Finanzmarktaufsicht (Finma) im Frühling zurückgehalten wurde.
Eine politisch nicht uninteressante Frage ist: Bekommt die CS zum ersten Mal einen Ausländer als obersten Chef? Die urzürcherische Bank, gegründet von Alfred Escher, hatte stets Präsidenten mit einem Schweizer Pass. Vor Rohner sassen Hans-Ulrich Doerig und Walter Kielholz auf diesem Posten.
Doch nach Rohner wird es nun zu einer Zäsur kommen. Der Auserwählte komme von aussen und habe keinen Schweizer Pass, verlautet aus zuverlässiger Quelle. Im Verwaltungsrat erachtet man das als unproblematisch. Denn mit Thomas Gottstein hat die CS zurzeit (wieder) einen Schweizer Konzernchef. Dass er einen Ausländer als Nachfolger bekommen könnte, das deutete Rohner im Interview mit der Schweiz am Wochenende bereits im vergangenen Februar an: Es brauche eine gewisse «Schweiz-Nähe», sagte er, «die sich aber nicht unbedingt im Pass ausdrücken muss».
Somit ist auch klar, dass ein klingender Name, der wiederholt als Anwärter für das CS-Präsidium gehandelt wurde, leer ausgeht: Philipp Hildebrand, ehemaliger Nationalbankchef und aktuell Vizepräsident beim US-Vermögensverwalter Blackrock. Aber er hat ja seit vergangener Woche einen anderen Spitzenposten in Aussicht: Der Bundesrat portiert ihn als Generalsekretär der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. (aargauerzeitung.ch)
Man merke: Ausscheidende Chefs kriegen keine grossen Würfe mehr durch