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Titanenkampf in Peking: Xi gegen Ma

Jack Ma vs. Xi Jinping

Titanenkampf in Peking: Xi gegen Ma

Peking sagt im letzten Moment den Börsengang seines Vorzeige-Finanzunternehmens ab.
14.11.2020, 16:13
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In den letzten Tagen hätte der grösste Börsengang aller Zeiten über die Bühne gehen sollen. Die chinesische Finanzgruppe Ant wollte sich dem Publikum öffnen und dabei rund 37 Milliarden Dollar frisches Kapital aufnehmen. Daraus wurde nichts. Im letzten Moment hat die chinesische Regierung das Unterfangen gestoppt.

Auf den ersten Blick scheint das Vorgehen Pekings unverständlich. Der Börsengang der Ant Group wäre ein grosser Triumph der chinesischen Wirtschaft gewesen. Er hätte der gesamten Welt gezeigt, wie weit fortgeschritten die Finanz-Technologie im Land der Mitte inzwischen ist und demonstriert, dass die Finanzplätze Hongkong und Shanghai mittlerweile locker mit New York und London mithalten können.

epa08702969 A man rests in the Ant Group headquarters canteen in Hangzhou, China, 27 September 2020 (issued 28 September 2020). Ant Group is the parent company of China's largest mobile payments  ...
Die Kantine im Ant-Hauptquartier in Peking.Bild: keystone

Warum also hat Peking ein klassische Eigengoal geschossen? Vielleicht ist es bloss ein Hahnenkampf zweier Männer. Präsident Xi Jinping ist nicht nur machtbewusst, er ist auch extrem eitel. Wer ihn kritisiert, lebt gefährlich. Genau dies tat jedoch Jack Ma, der legendäre Gründer von Alibaba. Die Ant Group ist aus einem Spin-off von Alibaba entstanden.

Ma seinerseits geniesst in China Rockstar-Status und Bescheidenheit zählt ebenfalls nicht zu seinen Kernkompetenzen. Die chinesische Antwort auf Jeff Bezos hatte es gewagt, Kritik an der chinesischen Führung zu üben. Ende Oktober warf er ihr in einer Rede in Shanghai vor, mit einer «Pfandleihhaus-Mentalität» zu verhindern, dass Kleine Zugang zu günstigen Krediten hätten.

Diese Kritik kam bei den Parteioberen gar nicht gut an. Sie verlangten im letzten Moment von der Ant Group, dass sie nachbessere und neue Sicherheitskriterien erfülle. Damit demonstrierten sie auch der gesamten Businessgemeinde unmissverständlich, wer nach wie vor das Sagen hat.

epa06678630 Jack Ma, founder of Chinese e-commerce giant Alibaba, gestures as he arrives for a meeting with Thailand's Prime Minister Prayut Chan-o-cha (not pictured) in Bangkok, Thailand, 19 Apr ...
Die chinesische Antwort auf Jeff Bezos: Jack Ma.Bild: EPA REUTERS POOL

Ein hoher Manager einer chinesischen Staatsbank erklärte gegenüber der «Financial Times»: «Jack Mas Rede in Shanghai erweckte den Eindruck, dass er die Finanzbehörde öffentlich in Frage stellen wolle. Das ist inakzeptabel. Deshalb haben die Regulatoren reagiert und neue Regeln aufgestellt.»

Chen Zhiwu, Finanzprofessor an der Hong Kong University, sieht es ähnlich: «Solange ein Businessmann seinen Geschäften nachgeht, viel Geld verdient, aber den Mund hält, ist alles gut. Sonst nicht. Jack Ma hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt – und die Konsequenzen zu spüren bekommen.»

Schliesslich gibt es noch einen dritten Grund für die Absage des Börsengangs in letzter Minute. Die Ant Group hat das Potential, das chinesische Finanzsystem umzukrempeln. Sie hat sich zu einer mächtigen Schattenbank entwickelt, die sich der Kontrolle der Bank of China entziehen könnte. So stellt das «Wall Street Journal» fest:

«Die chinesischen Regulatoren hätten schon lange die Absicht gehegt, Ant an die Leine zu nehmen, erklären gut informierte chinesische Beamte. Das Unternehmen hat auch ein mobiles Zahlungssystem und eine App namens Alipay. Diese wird von rund 70 Prozent der chinesischen Bevölkerung benutzt und hat rund 20 Millionen KMU und gegen 500 Millionen Individuen Kredite erteilt. Es betreibt die grösste Fondsgesellschaft und verkauft Dutzende von anderen Finanzprodukten.»

Mit anderen Worten: Ant erscheint der chinesischen Regierung als zu grosses Klumpenrisiko für das Finanzsystem. Daher haben die Regulatoren in letzter Minute Nachbesserungen verlangt, um diese Risiken zu minimieren.

Das Vorgehen Pekings gegen Ant nur mit persönlicher Eitelkeit des Präsidenten und einer Machtdemonstration der Partei zu erklären, wäre daher zu kurz gesprungen. Das Schattenbank-Problem stellt sich nämlich auch bei uns, konkret im Fall von BlackRock. In den letzten Jahren ist hier ebenfalls ein Finanzriese entstanden, der ebenfalls im Begriff ist, das Finanzsystem zu unterlaufen.

epa08127746 (FILE) - A view of the New York offices of the financial firm BlackRock in New York, New York, USA, 12 January 2016 (reissued 14 January 2020). Larry Fink, CEO of the world?s largest fund  ...
Die Büros von BlackRock in New York.Bild: EPA

Die deutsche Finanzjournalistin Heike Buchter hat den Aufstieg von BlackRock in ihrem gleichnamigen Buch analysiert. Sie kommt zu einem ähnlichen Schluss wie die Behörden in Peking, nämlich dass hier eine heimliche Weltmacht entsteht, die besser kontrolliert werden muss. Deshalb schreibt sie:

«Bei BlackRocks Umgestaltung der Märkte geht es darum, wie das Finanzsystem künftig seine eigentliche Rolle spielt, nämlich wie es unsere reale Wirtschaft am Laufen hält. (…) Eines steht fest: BlackRock spielt bei all diesen Veränderungen nicht nur eine Rolle, sondern eine Rolle in der Übergrösse XXL.»
Heike Buchter, Autorin.
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13 Kommentare
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Lustiger Baum
14.11.2020 17:39registriert April 2019
Die Rede kann man jedem nur empfehlen zu lesen. Es gibt davon englische Transkriptionen.

Blackrock ist die grösste Gefahr für unsere Wirtschaft. Mittlerweile gehören z.B. alleine in Deutschland über 25% aller Immobilien direkt oder indirekt Blackrock.
Ebenfalls ist Blackrock bei fast jedem Fortune 500, DAX oder auch SME Unternehmen der grösste Einzelaktionär!!!
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FrancoL
14.11.2020 17:35registriert November 2015
Was wieder einmal zeigt, dass Unternehmen nicht ins Unendliche wachsen dürfen und man frühzeitig diesen Wachstum regeln muss. Wer das Wachstum nutzt um sich grosse Vorteile zu verschaffen oder sich jeglicher Kontrolle zu entziehen, der muss kontrolliert und redimensioniert werden. Es steht jedem Unternehmen frei nicht jegliche Schwelle der Kontrolle zu umgehen und immer noch gute Geschäfte zu machen.
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wurzeli
14.11.2020 18:29registriert April 2020
Danke für diesen Bericht. Darin sind mind. zwei gröbere Problembereiche drin:

(1) Der Autokrat über ein mächtiges Reich und wie er mit Konkurrenz umgeht. Wird schon interessant sein, wie sich das über die Jahr(zehnte) nun entwickelt, der Mann ist ja nicht ewig so vital.

(2) Die Regulierung von Parabanken: Facebook (Libra), Fonds (Blackrock) u.a. Schattenbanken unterstehen (noch) nicht den Bankengesetzen, GwG-Gesetzen u.a. Regulierungen. Hierzu muss man leider konstatieren, dass immer mehr Geld bei immer weniger Akteuren monopolisiert wird - und Geld regiert die Welt, meist im Hintergrund.
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