Zu Beginn der Woche machten die Börsen weltweit Freudensprünge. In den USA stiegen die Kurse gar so stark wie seit Monaten nicht und machten die Verluste der letzten Tage beinahe wieder wett.
Ursache dieser Freudensprünge war die Entwicklung der Zinsen der Staatsanleihen, vor allem der amerikanischen. Die Rendite der 5-jährigen US-Treasury ist um 0,03 Prozent gefallen. Die 10-jährige T-Bond – der wichtigste Referenzpunkt der Finanzmärkte – ist derweil wieder deutlich unter die Höchstmarke von 1,61 Prozent von letzter Woche gesunken.
Die Zinsen der Staatsanleihen werden derzeit von den Investoren mit Argusaugen verfolgt. So warnt etwa der legendäre Financier Warren Buffett davor, sie jetzt zu kaufen. Die «Financial Times» berichtet derweil von einem Comeback der «Anleihen-Wächter» (Bond vigilants). So bezeichnet man das Phänomen, wenn zu hohe Staatsschulden mit steigenden Zinsen der Staatsanleihen bestraft werden.
In den Zeiten von rekordtiefen Zinsen war es lange relativ ruhig um die Zinsen der Staatsanleihen. Sie sind sichere Werte in unsicheren Zeiten, deshalb gaben sich die Investoren mit mickrigen Renditen zufrieden. In den letzten Tagen jedoch war es vorbei mit der Ruhe. Die Zinsen begannen zu steigen, die Kurse zu fallen, denn steigende Kurse bedeuten auch, dass der Wert der bestehenden Anleihen sinkt und Pensionskassen-Manager sehr schlecht schlafen.
Ursache der Turbulenzen an den Finanzmärkten sind die Diskussionen um das 1,9-Billionen-Dollar-Hilfspaket von US-Präsident Joe Biden. Das Abgeordnetenhaus hat dieses Paket am vergangenen Samstag verabschiedet. Der Senat wird es in den kommen Tagen beraten, ein paar kleine technische Änderungen vornehmen und es dann wahrscheinlich ebenfalls durchwinken. Die Unterschrift des Präsidenten wird auf dem Fuss folgen, denn Mitte März laufen viele bestehende Covid-Unterstützungsprogramme aus.
Das Biden-Hilfspaket ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert. Es ist mehr als doppelt so gross wie das Hilfspaket, das Barack Obama nach der Finanzkrise unter lautem Protestgeheul der republikanischen Sparonkel in Kraft gesetzt hatte. Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times» macht auch auf einen zweiten Unterschied aufmerksam:
Es könnte tatsächlich sehr schnell gehen. Die Ökonomen überschlagen sich derzeit mit geradezu phantastischen Wachstumsprognosen. Das amerikanische Bruttoinlandprodukt könne 2021 im optimalen Fall gegen acht Prozentpunkte zulegen, prophezeien die ganz Mutigen.
Ist das nicht des Guten zu viel? fragen sich indes einige Skeptiker. Zu ihnen gehört etwa Lawrence Summers, der ehemalige Finanzminister unter Barack Obama. Dabei hat Summers noch vor kurzem vor einer «säkularen Stagnation» gewarnt, einer Phase von langanhaltendem stagnierendem Wirtschaftswachstum, die nur mit Hilfe des Staates überwunden werden kann.
In einer Kolumne in der «Washington Post» hat Summers jedoch ganz andere Töne angeschlagen. Nun spricht er davon, dass Bidens Hilfspaket einen «Inflationsdruck erzeugen könnte, wie wir ihn in Generationen nicht mehr gesehen haben». Ins gleiche Horn bläst Olivier Blanchard, der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. Er spricht von einer Zunahme der Nachfrage, «wie er sie noch nie erlebt habe».
Dass ausgerechnet Summers und Blanchard Alarm schlagen ist erstaunlich, gehören sie doch nicht ins Lager der konservativen Sparhysteriker. Doch auf ideologische Zuweisung ist derzeit eh kein Verlass. Zu den vehementen Befürwortern des Biden-Hilfspaketes gehören nämlich nicht nur der linksliberale Nobelpreisträger Paul Krugman, sondern auch eher konservative Vertreter: Zum Beispiel Kenneth Rogoff, Ökonomieprofessor an der Harvard University, oder Ellen Zenter, Chefökonomin bei der Bank Morgan Stanley.
Entscheidend ist jedoch, dass die Generäle auf dem Feldherrenhügel der amerikanischen Wirtschaft Biden voll unterstützten. Janet Yellen, ehemalige Präsidentin der US-Notenbank Fed und neu Finanzministerin, hat mehrmals erklärt, die Gefahr drohe nicht davon zu viel, sondern zu wenig zu machen.
Jay Powell, der von Trump eingesetzte neue Fed-Präsident, will nichts von einer drohenden Inflationsgefahr wissen. «Die Art von Inflation, mit welcher meine Generation aufgewachsen ist, scheint derzeit in weiter Ferne zu sein», erklärte er im Januar. Powell verweist zudem auf die Tatsache, dass die rekordtiefe Arbeitslosigkeit vor der Pandemie keinerlei Inflationsdruck erzeugt habe.
Mary Daly, die Präsidentin des San Francisco Fed, legt den Finger auf den wunden Punkt. «Wir sollten uns nicht vor einer Inflation fürchten, sondern anerkennen, dass gerade diese Angst uns Millionen von Jobs gekostet hat – Millionen von Hoffnungen und Träumen», sagt sie.
Präsident Bidens Wette ist daher das Risiko wert, auch wenn ein kurzzeitiger Inflationsschub nicht ausgeschlossen werden kann. Und ja, auch wir Europäer sollten inständig darum beten, dass diese Wette aufgeht. Zu Recht weist Rogoff darauf hin: «Wenn es für die USA schief geht, geht es für alle schief.»
Sorgen mache ich mir aber nicht wegen dem Geld-Ausgeben in der Krise, das hilft, sondern was nach der Krise kommt.
Wir erinnern uns: Die Republikaner haben ebenfalls die Schulden weiter nach oben gejagt und der Blick nach Europa zeigt das Gleiche.
Die Staatsverschuldung und auch die Staatsquote sind weiter gestiegen, obwohl für einige Jahre Wirtschaftswachstum geherrscht hat.
Und es gibt keinen Grund, weshalb die Politik auch nach dieser Krise plötzlich schlauer handeln sollen.
Strukturelle Probleme werden mit Geld bedeckt.