In Deutschland soll im nächsten Jahr der zweite Prozess zur strafrechtlichen Aufarbeitung von Cum-Ex-Aktiendeals starten. Nach zweijähriger Prüfung eröffnete das Landgericht Wiesbaden das Hauptverfahren gegen insgesamt sechs Angeklagte.
Die Wirtschaftsstrafkammer habe die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zugelassen, teilte das Landgericht am Dienstag mit. Die Verhandlungstermine sollen im ersten Quartal 2020 festgelegt werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte im September 2017 Anklage gegen den Rechtsanwalt Hanno Berger und fünf ehemalige Händler der HypoVereinsbank (HVB) wegen schwerer Steuerhinterziehung erhoben, die dem Fiskus nach früheren Angaben einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro zugefügt haben sollen. Dafür drohen bis zu zehn Jahre Haft. Seitdem prüfte das Landgericht Wiesbaden, ob es die Anklage zulässt.
Berger, der als einer der Schlüsselfiguren im Cum-Ex-Skandal gilt, hat die Vorwürfe wiederholt bestritten. Der Anwalt, der seit der Durchsuchung seiner Frankfurter Kanzlei und seiner Wohnung vor sieben Jahren in der Schweiz lebt, hat wiederholt erklärt, er würde an einem Verfahren in Deutschland persönlich teilnehmen und nötigenfalls durch alle Instanzen gehen.
Bei Cum-Ex-Geschäften nutzten Investoren eine Lücke im Gesetz, um den Staat über Jahre hinweg um Milliarden zu prellen. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit («cum») und ohne («ex») Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen.
Seit Anfang September dieses Jahres läuft der erste deutsche Strafprozess zu dem Komplex in Nordrhein-Westfalen (NRW). Der dortige Vorsitzende Richter hatte durchblicken lassen, dass das Gericht die gezielte Mehrfacherstattung von Steuern als Straftat werte: «Cum-Ex-Geschäfte in der hier angeklagten Konstellation sind strafbar.»
Bisher ist nicht höchstrichterlich geklärt, ob Cum-Ex-Geschäfte nur moralisch fragwürdig oder auch illegal waren. Der Prozess in NRW gilt in dieser Frage als wegweisend.
Zudem haben die Ermittlungsbehörden ihr Vorgehen verschärft. Auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wurden in der vergangenen Woche zwei ehemalige Banker der wegen Cum-Ex-Geschäften kollabierten Maple Bank wegen Fluchtgefahr festgenommen. Im gleichen Fall wurde bereits Ende November ein ehemaliger Anwalt der Anwaltskanzlei Freshfields verhaftet.
Die «Cum-Ex»-Geschäfte haben bis in die Schweiz hohe Wellen geschlagen. So wird etwa die Bank J. Safra Sarasin von dem Fall verfolgt. Sie hatte während Jahren ihren Kunden Finanzprodukte verkauft, die darauf beruhten, dass die Steuerbehörden durch mehrfach beantragte Erstattungen auf nur einmal einbehaltene Verrechnungssteuern ausgetrickst wurden.
In der Folge war es zu Justizermittlungen in Deutschland gegen die Bank gekommen. Zudem wurde das Institut auch von Kunden angezeigt, darunter etwa vom deutschen Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer oder vom «Drogerie-König» Erwin Müller. Im September wurde dann bekannt, dass die Bank ihrerseits gegen den Versicherer AIG klagt. Das Institut macht beim US-Versicherer die Rückerstattung von finanziellen Schäden aus den Geschäften mit den inzwischen illegalen «Cum-Ex»-Fonds geltend.
Für Wirbel sorgte auch die Weitergabe von Dokumenten im Prozess von Müller gegen J. Safra Sarasin. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte deshalb im April einen von drei Beschuldigten wegen Wirtschaftsspionage. Die beiden anderen sprach es der Anstiftung zum mehrfachen Vergehen gegen das Bankengesetz schuldig. (AEG/awp/sda/reu/dpa)
Im Gegensatz zu Deutschland wurde aber bei uns die Aufklärer und Whistleblower wegen Wirtschaftsspionage verurteilt, weil sie das verbrecherische Verhalten unserer Banken publik machten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/cum-ex-prozess-mueller-schweiz-1.4405668