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Chlorothalonil: Syngenta lässt dem Bund einen Maulkorb verpassen

Chlorothalonil: Syngenta lässt dem Bund einen Maulkorb verpassen

18.02.2021, 12:0018.02.2021, 12:14
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Der Agrochemiekonzern Syngenta Agro hat im Zusammenhang mit einem Fungizid abermals erreicht, dass der Bund Informationen zu möglichen krebserregenden Folgen des Mittels nicht verbreiten darf. Das Bundesverwaltungsgericht hiess einen Antrag der Syngenta gut.

In einer am Donnerstag veröffentlichten Zwischenverfügung erteilt das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) klare Anweisungen: Das Bundesamt darf vier verschiedene Abbaustoffe, sogenannte Metaboliten, des Fungizids Chlorothalonil öffentlich nicht als toxikologisch relevant bezeichnen.

ARCHIVBILD ZUR ZUSTIMMUNG DER UEBERNAHME VON SYNGENTA DURCH CHEMCHINA DURCH DIE AKTIONAERE, AM FREITAG, 5. MAI 2017 - Ein Feld mit jungen Pflanzen und einem Schild mit dem Logo von Syngenta aufgenomme ...
Syngenta ist in der Sparte Pflanzenschutz (Syngenta Crop Protection) Marktführer.Bild: KEYSTONE

Das BLV muss eine im September 2020 an die Kantone versandte Weisung von seiner Webseite entfernen, in der Chlorothalonil und Metaboliten dieses Wirkstoffes als toxikologisch relevant eingestuft wurden. Die Einstufung als «relevant» hat Folgen für die Grenzwerte im Grund- und Trinkwasser.

Als letzte Anweisung schreibt das Bundesverwaltungsgericht dem BLV vor, dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) mitzuteilen, dass die Einstufung der Abbaustoffe von Chlorothalonil derzeit als Streitfall vor dem Bundesverwaltungsgericht liege und ein Entscheid darüber ausstehe.

Wirtschaftliche Interessen

Syngenta Agro stellt Fungizide mit dem Stoff Chlorothalonil her. Die Verwendung wurde per 1. Januar 2020 in der Schweiz verboten. Gegen das Verbot hat der Konzern Beschwerde eingelegt. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass wissenschaftliche Grundlagen für das Verbot fehlen. Diese Frage wird in einem separaten Verfahren behandelt.

Im vorliegenden Fall, geht es in der Hauptsache darum, wie Chlorothalonil hinsichtlich seiner Kanzerogenität einzustufen ist. Eine Qualifikation als krebserregender Stoff hätte zur Folge, dass auch alle Abbaustoffe als solche gelten. In diesem Zusammenhang wird das Bundesverwaltungsgericht zudem beurteilen, welche Grenzwerte für Trinkwasser bei nicht toxikologisch relevante Metaboliten gelten.

Wie bereits bei der ersten Zwischenverfügung im August 2020, hat das Bundesverwaltungsgericht die Anweisungen an das BLV als vorsorgliche Massnahmen erlassen. Das Gericht geht davon aus, der Syngenta könnte aufgrund der breiten medialen Ausstrahlung des Themas ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen und der Ruf des Unternehmens Schaden nehmen.

Das BLV hatte Chlorothalonil und vier Abbaustoffe im Dezember 2019 in einem Gutachten noch als nicht relevant eingestuft. Der Grenzwert für Trinkwasser lag damit bei 10 Mikrogramm pro Liter. Der Grenzwert bei toxikologisch relevanten Metaboliten beträgt 0.1 Mikrogramm pro Liter.

Neue Einschätzung

Nach dem Entzug der Bewilligung für Fungizide mit Chlorothalonil durch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) beschrieb das BLV den Wirkstoff auf seiner Website neu als wahrscheinlich krebserregend. Es folgte damit der Einschätzung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (Efsa).

Diese neue Bewertung des umstrittenen Wirkstoffs hat das BLV zu ihren Massnahmen, beziehungsweise zur Weisung an die Kantone, im Zusammenhang mit der Sicherheit des Trinkwassers geführt, wie aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht hervorgeht. Das BLV hielt dazu fest, dass es sich in diesem Bereich den Einschätzungen der Efsa anschliessen könne.

In der Sache selbst muss das Bundesverwaltungsgericht noch ein Urteil fällen. Die hier vorliegende Zwischenverfügung ist noch nicht rechtskräftig und kann beim Bundesgericht angefochten werden.

(Verfügung B-3340/2020 vom 15.2.2021)

(sda)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bcZcity
18.02.2021 12:51registriert November 2016
Ja, auch dies ist Demokratie. Aber.

Wenn man bedenkt dass ein solch dreckiges Spiel selbst in unserem kleinen Land mit stabiler Regierung und halbwegs transparenter Politik möglich ist, muss man sich nicht wundern dass es in anderen Ländern vielfach völlig aus dem Ruder läuft.

Trennung von Staat und Kirche ist gut. Trennung von Staat und Lobbys wäre noch besser. Wenn etwas als schädlich beurteilt wurde, weg damit, es gibt immer Alternativen, IMMER, auch wenn dann 1-2x die Gewinnausschüttung für die GL etwas tiefer ausfällt.

Sparen lernt man von den Reichen. Verzichten nur von den Armen.
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Rethinking
18.02.2021 13:25registriert Oktober 2018
Ich weiss, wie ich bei den nächsten paar „BIO“ Initiativen stimmen werde...

Für den Planeten!
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Garp
18.02.2021 14:17registriert August 2018
Syngenta gehört doch nun den Chinesen ;-) . Maulkorb passt da ja.
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