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Die Kinos öffnen sich für Gamer

Kinos überbrücken die Krise kreativ – und vermieten jetzt ganze Säle an Private

Weil der neueste «Bond»-Film verschoben wurde, erfinden sich Kinos neu. Ganze Säle können nun gemietet werden.
11.10.2020, 04:1011.10.2020, 14:22
stefan ehrbar / schweiz am wochenende
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james bond 2020 ana de alma daniel craig

Wenn sich Daniel Craig als Doppelnull-Agent James Bond seinen Weg freischiesst, rennen die Menschen ins Kino: Das war das Kalkül der Kinobetreiber. Im November hätte der 25. Film aus der Reihe im Kino starten sollen – ein garantierter Strassenfeger, trotz Maskenpflicht in den Foyers und eingeschränktem Angebot etwa bei der Verpflegung.

Es wäre eine Art Wiedergeburt des Kinos nach einer Schliessung im Lockdown und einer langen Phase ohne grosse Premieren geworden. Als die Swisscom vor kurzem ihr neues Entertainment Konzept «blue» vorstellte, zu dem auch die ehemaligen Kitag-Kinos gehören, fiel der Name «Bond» denn auch mehrfach. Die Verantwortlichen setzten grosse Hoffnungen in den Film – und werden nun enttäuscht.

Aktien von Kinobetreibern verlieren massiv an Wert

Denn schon zum vierten Mal verschob das Filmstudio den Kinostart vor einer Woche erneut. Nun soll er erst im April 2021 über die Leinwände flimmern. Als Begründung wurde angegeben, der Film könne nur so von einem weltweiten Publikum gesehen werden. Denn noch immer sind in einigen Ländern die Kinos geschlossen, anderswo operieren sie mit deutlich weniger Kapazität und Besuchern.

Die englische Kinokette Cineworld, die zweitgrösste der Welt, gab als Folge der Verschiebung bekannt, mehr als 600 Kinos in Grossbritannien und den USA vorübergehend zu schliessen, 45000 Beschäftige sind davon betroffen. Die Aktien des US-Marktführers AMC wiederum verloren innert einer Woche etwa 14 Prozent ihres Werts.

Schweizer Kinobetreiber hingegen verströmen Zuversicht. Sie wollen weder Kinos schliessen noch die Öffnungszeiten reduzieren, wie das im Sommer dieses Jahres praktiziert wurde. «Der Bond-Filmstart wäre für die gesamte Kino-Branche äusserst wichtig gewesen», sagt Olivia Willi, Sprecherin von Blue Cinemas. Weil er bereits im Frühling schon einmal verschoben worden sei, habe man eine weitere Verzögerung aber mit einkalkuliert. «Aktuell belassen wir unsere derzeit bestehenden Öffnungszeiten», sagt Willi. «Wir behalten uns vor, diese jederzeit entsprechend anzupassen.»

In den kommenden Wochen seien einige Filmstarts vorgesehen. «Es ist aber klar, dass keine dieser Produktionen eine Strahlkraft eines Bonds hat.» In einer Spezialreihe zeigt Blue Cinemas dennoch vom 15. Oktober bis zum 10. November alle bisherigen 24 James-Bond-Filme im Kino – «um trotzdem ein Agenten-Highlight im Kino anzubieten», wie es Willi sagt.

Die Konkurrentin Arena Cinemas eröffnet am 30. Oktober gar ein neues Multiplex-Kino in Basel. In 14 Sälen werden im ehemaligen Shoppingcenter Filme gezeigt, die Betreiber werben mit den «grössten Leinwänden der Region». Arena betreibt unter anderem Kinos in Zürich, der Westschweiz, in Glarus und im Tessin. Welchen Einfluss die Verschiebung des Bond-Streifens hat, will ein Sprecher aber nicht kommentieren.

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«Der neue Bond wäre wichtig gewesen»

Offener zeigt sich Pathé, die grösste Kinobetreiberin der Schweiz. «Natürlich wäre der neue Bond-Film ein wichtiges Zeichen gewesen», sagt Kommunikationschefin Giulia Griffin. «Er hätte den Leuten gezeigt, dass wieder neue, grosse Filme kommen. Die Verschiebung ist umso schmerzhafter, da jetzt Hochsaison für die Kinos ist. Er wäre auch für die Motivation wichtig gewesen.»

Schliessungen von Kinos seien trotzdem nicht geplant. Man könne den Schweizer Markt nicht mit England oder den USA vergleichen. «In den USA gibt es im Wesentlichen zwei Kino- Hotspots an der Ost- und Westküste», sagt Griffin. Dort seien die Kinos viel länger geschlossen gewesen als hierzulande. Dasselbe treffe auf Grossbritannien zu. Die Erholung sei hierzulande schon weiter. Auch das Instrument der Kurzarbeit, das es in den USA gar nicht und in Grossbritannien nicht vergleichbar gebe, helfe, Schliessungen zu verhindern.

Die Reduktion von Öffnungszeiten, wie sie im Sommer praktiziert wurde, müsse nicht wiederholt werden, sagt Griffin. Die Kinos seien derzeit «recht gut» besucht. «Die Atmosphäre ist wieder da», sagt Griffin. Einen kleinen Vorteil habe die Bond-Verschiebung: «Es kommen nun andere Filme ins Kino, die von den Studios zurückgehalten worden wären, wenn ihnen der neue Bond-Film die Show gestohlen hätte.»

Griffin sagt, das Kinoverhalten verändere sich langsam. Einerseits gewöhnten sich die Leute an das «new normal» mit der Maskenpflicht im Foyer, andererseits sei das Bedürfnis nach Kino als Event gestiegen. Darauf reagiere Pathé mit Angeboten wie der Vermietung von Kinosälen für vier Stunden – etwa, um eigene Filme zu schauen oder zum Gamen. Die Lücken im Kinoangebot füllt Pathé unter anderem mit Reprisen und zeigt ältere Filme, die beliebt sind – zuletzt etwa ältere Filme von «Tenet»-Regisseur Christopher Nolan.

Die Konkurrenz von Blue Cinemas und Arena wie der um setzt auf Filme aus dem Fundus des Streaming-Anbieters Netflix. So läuft etwa derzeit der neue Netflix-Film «The Trial Of The Chicago 7» in deren Kinos. Diese Zusammenarbeit habe sich sehr bewährt, die Netflix-Filme seien im Kino sehr beliebt, sagte Blue-Chef Wolfgang Elsässer kürzlich dieser Zeitung.

Eine neue Entwicklung beobachtet auch Giulia Griffin von Pathé. Obwohl weiterhin Leute allen Alters ins Kino gingen, gebe es eine Verschiebung von Blockbustern hin zu kleineren Filmen. «Auch Originalversionen sind häufiger gefragt.» Deshalb programmiere Pathé nun wieder mehr Filme in der Originalsprache – nach Jahren des Vormarsches von auf Deutsch synchronisierten Versionen. Das beste Argument dafür liefert Pathé auf seiner Internetseite: «Run, Forrest, Run»! tönt nun einmal besser als «Seckle, Forrest, Seckle!».

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