Am Anfang stand ein Vertriebsmitarbeiter. Oswald Bilotta, Angestellter der amerikanischen Novartis-Tochter mit Wohnort Long Island (New York), reichte Anfang 2011 vor Bundesgericht in New York City eine Zivilklage gegen das Pharmaunternehmen ein. Der happige Vorwurf: Sein Arbeitgeber habe jahrelang Schmiergelder an amerikanische Ärzte bezahlt, damit diese Herz-Kreislauf-Medikamente aus dem Hause Novartis verschrieben. Die Bestechungsgelder seien unter dem Deckmantel einer Vortragsserie und anderen Informationsveranstaltungen geflossen.
Im Sommer 2013 schaltete sich der damalige New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara in die Whistleblower-Affäre ein, mit der Begründung, dass einer der Leidtragenden die staatliche Krankenkasse für Militär-Veteranen («Tricare») gewesen sei. Bharara nannte Novartis mit Verweis auf ähnliche Vorwürfe eine Wiederholungstäterin.
Der Pharma-Konzern liess sich aber durch den aggressiv auftretenden Ermittler nicht einschüchtern. Und es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, in dem giftig formulierte Briefe, Verfahrensanträge und Beweisstücke ausgetauscht wurden.
Als im Frühjahr 2019 aber der Beginn des Prozesses vor Bundesgericht in Manhattan näher rückte, gab Novartis plötzlich klein bei und willigte in Vergleichsverhandlungen ein. Im Juli 2019 nahm das Unternehmen eine Rückstellung in der Höhe von 700 Millionen Dollar vor – deutlich weniger als die 3.4 Milliarden Dollar, die von der New Yorker Staatsanwaltschaft gefordert worden waren.
Für Novartis scheint sich der Rechtsstreit nun gelohnt zu haben. Am Mittwoch willigte das Unternehmen in die Zahlung von insgesamt 678 Millionen Dollar ein. Seine Firma habe sich einer Altlast entledigen und einen Schlussstrich unter eine alte Epoche ziehen wollen, sagte Konzernchef Vas Narasimhan sinngemäss. Heute jedenfalls sei Novartis «ein anderes Unternehmen», und seine Firma versuche, das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen, wird Narasimhan in einer Pressemitteilung zitiert. So will sich Novartis in ein «Corporate Integrity Agreement» ein, und will sich besser auf die Finger schauen lassen. (Am Mittwoch beendete Novartis gegen die Bezahlung von 51.3 Millionen Dollar auch ein Verfahren in Massachusetts.)
Der Vergleich, der gleichentags von Bundesrichter Paul Gardephe genehmigt wurde, zeigt noch einmal auf, wie Novartis von 2002 bis 2001 «Hunderte von Millionen Dollar» an Bestechungsgeldern an Ärzte verteilte, wie die die kommissarisch amtierende Staatsanwältin Audrey Strauss, im Amt seit vorigem Monat, in einer Pressemitteilung zitiert wird.
So organisierte Novartis in teuren Restaurants wie der Gramercy Tavern in New York oder dem Charlie Palmer Steak in Washington Vortragsabende, während denen die Firma pro Person mehrere Hundert Dollar für Essen und Trinken ausgab. Ärzte hätten jeweils teure Weine bestellt und übermässig Alkohol konsumiert, heisst es in den Gerichtsunterlagen.
Und bei einigen der Vorträge habe es sich bloss um die Präsentation einiger Dias gehandelt; Novartis habe aber selbst für schludrige Darbietungen ein Honorar von 1000 Dollar überwiesen.
Für Oswald Bilotta wird sich das aufwändige Verfahren wohl auch auszahlen. Dem Whistleblower stehen gemäss amerikanischem Recht 15 bis 30 Prozent der Entschädigungssumme zu, die Novartis an die Staatskasse überweisen muss, wie sein Anwalt Eric Young von der Kanzlei McEldrew Young Purtell in Philadelphia vorrechnet. Im besten Fall könnte Bilotta also mit bis zu 200 Millionen Dollar entschädigt werden.