Das Warten geht weiter. Noch immer bleiben die meisten Maschinen am Flughafen Zürich am Boden. Die Swiss hat deswegen den Abbau von 1700 Stellen angekündigt. Weniger stark von der Corona-Krise betroffen sind die Businessjet-Firmen. Doch auch sie müssen happige Umsatzverluste verbuchen - so auch die Zürcher CAT Aviation.
Gründerin und Geschäftsführerin Helene Niedhart spricht mit CH Media aus ihrem Home Office. Nicht weil sie krank ist. «Wir mussten kurzfristig nach Südafrika, um das Strohdach unseres Hauses in Kapstadt zu reparieren und sitzen nun die Quarantäne ab.» Fürs Golfspielen habe die Zeit leider nicht gereicht. «Denn mit diesen Videokonferenzen muss man inzwischen praktisch ständig für Meetings erreichbar sein», sagt Niedhart.
Privatjets trumpfen mit grossen Abständen an Bord auf. Hilft Corona ihrem Geschäft?
Helene Niedhart: Nein, Corona hilft uns nicht. 2020 hatten wir ein Umsatzminus von 41 Prozent.
Das ist bedeutend besser als das Minus von 65 Prozent der Swiss.
Das hilft uns nichts. Unser Team befindet sich in Kurzarbeit, und wir hoffen, dass die Buchungen bald wieder eintreffen.
Gab es Entlassungen?
Bisher nicht. Ein Pilot hat uns verlassen, weil er sich zum SBB-Lokführer hat umschulen lassen. Seine Position haben wir nicht ersetzt. Wir haben auch einen Covid-Kredit beantragt, ihn bisher aber nicht benötigt. Wir leben von unseren Reserven, die nun dahinschmelzen.
Man hört von Privatjet-Firmen, die boomen.
Dabei handelt es sich meistens um Firmen mit kleinen Fliegern. Unsere Maschinen sind grösser und vorwiegend für Mittel- bis Langstreckenflüge gedacht. Und unsere Kundschaft besteht vor allem aus Geschäftsleuten, die zurzeit ihre Sitzungen online abhalten.
Kam Ihnen der Flughafen Zürich bei den Kosten entgegen?
Nicht bei den Stand-, Park oder Landegebühren und auch nicht beim Büromietzins. Nichts. Nur für unser Bistro am Flughafen erhielten wir einen kleinen Mieterlass. Das ist etwas enttäuschend, auch wenn der Flughafen selbst mit dem starken Einbruch zu kämpfen hat.
Wohin fliegen Ihre Jets denn zurzeit?
Das sind vor allem Ferienflüge, auf die Malediven oder die Karibik, bis vor kurzem auch auf die Seychellen. Aber wie gesagt, wir sind eigentlich auf Geschäftsflüge ausgerichtet. Deswegen haben wir grosse Verluste. Wichtige Business-Destinationen wie Singapur, Hong Kong oder New York sind nach wie vor praktisch unerreichbar wegen der Einreiseregeln.
Es gab Meldungen von Reichen, die sich im Ausland impfen liessen. Hatten Sie solche Anfragen?
Wir kennen den Reisegrund unserer Gäste nicht. Aber ich würde das eher ausschliessen. Hingegen haben wir zum Höhepunkt der Pandemie den einen oder anderen Gast nach Hause fliegen dürfen. Das half ein wenig. Aber seit Januar gibt es auch solche Rückholaktionen nicht mehr.
Die Swiss hat sogar Sitze aus den Fliegern genommen, um mehr Cargo zu transportieren. Inwiefern könnten auch Ihre Flugzeuge mehr Ware aufnehmen?
Das kommt für uns nicht infrage, dafür sind die Maschinen zu klein. 2020 haben wir allerdings für Spitäler Beatmungsgeräte aus Taiwan direkt in die Schweiz geholt. Denn teils wurden sie auf dem Weg in die Schweiz von anderen Staaten annektiert.
Viele Unternehmerinnen und Manager haben sich an Zoom, Teams und Skype gewöhnt. Müssen Sie Ihre Jets nun zu fliegenden Home Office umfunktionieren?
Es lässt sich schon heute komfortabel bei uns an Bord arbeiten. Kommt hinzu: Unsere Kunden stammen in der Regel aus dem Top-Management. Das sind nicht Kadermitglieder, die als Belohnung mal ins Ausland fliegen dürfen, sondern solche, für die der Flug ins Ausland zwingend notwendig ist. Und seit Anfang Jahr haben wir erstmals ein modernes Kurzstrecken-Flugzeug, eine Pilatus PC-24, in unserer Flotte, das viel Komfort bietet.
Könnten Privatjets auch nach Corona gefragter sein?
In den nächsten drei Jahren werden es Privatjet-Firmen wohl weniger schwer haben als die Linienairlines. Aber ich glaube nicht, dass nun viele Ferienpassagiere nach Mallorca oder Kreta den Businessjet statt Easyjet oder Swiss wählen. Dafür sind wir zu teuer. Den Airlines werden vor allem die vielen Kurztrips fehlen, das spontane Wochenende in Paris oder der Businesslunch in London. Das gefährdet auch das Hub System und damit die Langstreckenflüge der Swiss.
Wie wichtig ist für Ihr Geschäft, dass sich die Swiss nach dieser Krise gut erholt?
Sehr wichtig. In der Schweiz haben wir überdurchschnittlich viele internationale Konzerne, die auf eine gute Anbindung ins Ausland angewiesen sind, von IBM, über Microsoft bis Google. Hinzu kommen die Universitäten und Hochschulen. Wenn die Swiss stark schrumpft, verliert die Schweiz viele internationale Firmen. Und von diesen sind auch wir abhängig.
Arbeiten Sie zum Teil direkt mit der Swiss zusammen?
Nein, in Bezug auf Passagier-Kooperationen nicht. Aber auf verschiedenen Verbandsebenen arbeiten wir durchaus zusammen. So setzen wir uns mit vielen anderen Schweizer Aviatik- und Tourismus-Vertretern für eine Reisefreiheit mit entsprechenden Schutzmassnahmen ein und haben dies dem Bundesrat so mitgeteilt.
Wie haben Sie in der Firma auf Covid reagiert?
Wir hatten uns schon einmal auf eine solche Situation vorbereiten müssen, auf das Sars-Virus. Wir wurden also nicht komplett überrumpelt. Wir desinfizieren seither nach jedem Flug gründlich während eineinhalb Stunden mit speziellen Reinigungsgeräten. Die Flight Attendants tragen Masken…
…und Ihre Passagiere auch?
Wenn man allein an Bord ist, dann kann man die Maske abnehmen, was natürlich komfortabler ist. Im Zentrum steht für mich aber, dass möglichst schnell geimpft wird. Das dauert in der Schweiz leider viel zu lange.
Ihre Flotte umfasst derzeit sieben Flugzeuge. Werden Sie sie schrumpfen?
Das ist nicht geplant.
Sie fliegen seit über 30 Jahren selbst als Pilotin. Wie schwer war damals der Start in dieser männerdominierten Domäne?
Ich war damals in der Tat eine Exotin. Ich erinnere mich an einen Flug zur Jahrtausendwende. Ich flog mit einer anderen Pilotin und einer Flight Attendant von Boston nach Sardinien. Eine reine Frauencrew also. Als wir bereit waren, fragten wir den Bodenabfertiger, wann wir endlich zum Terminal fahren. Da meinte er: «Dov’è il commandante?» Ich sagte ihm, das sei ich. Und er meinte nur «Mamma Mia» und bekreuzigte sich.
Und heute?
Solche Situationen habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Bis vor einigen Jahren war es manchen Leuten vielleicht etwas unwohl, wenn sie im Cockpit eine Frau sahen. Nicht, dass sie Angst hatten, aber es war halt ein seltenes Bild. Als ich mich zu Beginn meiner Aviatik-Karriere für eine Stelle als Pilotin bei der Swissair interessierte, betrug das Alterslimit 28 Jahre, und ich war bereits 33. Ich konnte mich also nicht bewerben. 1983 stellte Crossair-Chef Moritz Suter mit Regula Eichenberger die erste Airline-Pilotin Europas ein.
Wieso fehlt es bis heute an Frauen bei den Airlines?
Schwer zu sagen. Weshalb gibt es mehr Kindergarten-Lehrerinnen? Weshalb gibt es mehr Ingenieure? Die Frauen müssen diesen Beruf wollen. Es braucht nicht Mut, aber Interesse und viel Ehrgeiz.
Mussten Sie sich viele dumme Sprüche von männlichen Kollegen anhören?
Ach, man darf nicht zu empfindlich sein. Klar, anfangs wurde ich oft ausgelacht, und das machte mich hässig. Aber irgendwann sagte ich mir, dass mir das egal ist und ich konsequent meinen Weg gehe.
Wer sind Ihre Gäste, die sich eine Flugreise mit bis zu 8000 Franken pro Stunde leisten?
Na ja, der Preis liegt leider nicht mehr bei 8000 Franken. Der Preiskampf ist enorm...
…aber es ist noch immer bedeutend teurer als ein Economy-Flug nach Mallorca, wie ihn herkömmliche Passagiere buchen.
Klar. Es ist teuer. Wir fliegen Vertreter aus allen Sparten durch die Welt, aus der Wirtschaft, aus dem Sport, der Politik, aus Hollywood, und so weiter.
Welche Prominenten waren schon an Bord?
Darüber schweigen wir. Ich kann nur ein paar Ausnahmen nennen. So hatten wir zum Beispiel Ex-US-Präsident Bill Clinton an Bord, weil sein Flugzeug eine Panne hatte. Unsere Flight Attendant war extrem nervös, aber es war ein tolles Erlebnis für sie. Denn Bill Clinton half ihr in der Bordküche beim Abtrocknen.
Gibt es auch Kunden mit extravaganten Wünschen?
Von den Geschäftskunden praktisch nie. Aber bei so genannten Charter-Flügen gibt es das ab und zu. Einmal hatten wir eine japanische Sektenführerin an Bord, die ihre eigene Flight Attendant mitbrachte. Sie musste ständig vor ihr auf die Knie, wenn sie sie bediente.
Ein weiteres Beispiel?
In einem afrikanischen Land wollten Politiker einst einen lebendigen Vogelstrauss, den sie als Geschenk erhielten, mit ins Flugzeug nehmen. Sie sahen dann aber ein, dass das nicht geht. Wir lehnen auch Flüge in Hochrisikoländer ab, selbst wenn sie lukrativ wären. Aktuell fliegen wir zum Beispiel nicht in den Irak, nach Venezuela oder Kolumbien oder in andere Hochrisikoländer, deren Liste sich ja täglich ändern kann.
Inwiefern prüfen Sie auch die Passagiere, die mit Ihnen fliegen möchten?
Sehr genau. Das ist mindestens so wichtig wie die Sicherheitsabklärung der Zieldestination. Wenn wir nicht wissen, wer der Gast ist oder wenn jemand aus unerklärlichen Gründen mehrere suspekte Pässe hat, lehnen wir den Flug ab. Wir möchten nicht mit kriminellen Geschichten in Verbindung gebracht werden. Solche Fälle gibt es immer wieder mal. Manche Personen stehen auch auf Fahndungslisten. Mit der Zeit merkt man, wenn etwas faul ist. Aber eine intensive Abklärung ist immer notwendig.
Wie sehr trifft das Klischee aus Hollywood-Filmen zu, wonach sich im Businessjet vor allem Banker-Typen mit Kokain und vielen Frauen vergnügen?
Das habe ich noch nie erlebt. Gerade Manager von börsenkotierten Firmen müssen strenge interne Regeln befolgen, die dürfen nicht einmal ihren Ehepartner mitnehmen. Sie nehmen auch die Golftasche nicht mit…
…früher aber schon, oder?
Ja, früher durchaus. Das waren andere Zeiten. Aber das hat sich gewaltig geändert. Nur einmal führten wir einen Charter-Flug für einen bekannten Popstar durch. Wir flogen ihn zu einem Privat-Konzert nach Bahrain. Er kam mit sechs Brasilianerinnen im Schlepptau. Irgendwann kam unsere Flight Attendant ins Cockpit und sagte: Ich weiss nicht mehr, was ich tun soll, die sind alle füdliblutt! Wir befahlen ihnen dann, sich sofort wieder anzuziehen und drohten, sonst in Istanbul zwischenzulanden und sie auszuladen. Sie gehorchten uns zum Glück.
Fakt ist: Ihre Branche steht für Luxus und Dekadenz. Diese Welt ist vielen Leuten fremd. Wie gehen Sie damit um?
Ich finde diese Beurteilung unserer Branche nicht gerecht, wonach nur reiche Abzocker mit uns fliegen. Unsere Geschäftskunden sind auf Businessjets angewiesen, weil sie damit viel Zeit sparen, oder auch wegen der Sicherheit. Es gibt Länder, wo Airlines nicht sicher sind, zum Beispiel Inlandflüge in einigen afrikanischen Ländern.
Das Image kommt aber nicht von irgendwo…
Die Business-Aviatik in der Schweiz entstand in den 60er-Jahren. Ein einheimischer Kinomogul hatte einen Privatjet und flog damit Showbusiness-Leute in die Schweiz, wie Sophia Loren oder Herbert von Karajan. Aber in den letzten Jahren hat sich das längst verändert, vor allem mit der Globalisierung der Wirtschaftswelt. Das Image mit den Reichen und Schönen ist dennoch geblieben.
Nebst der Corona-Krise bleibt die Klimadebatte eine grosse Herausforderung für die Aviatikindustrie. Mit dem CO2-Gesetz kommt eine Flugticket- und eine Businessjet-Abgabe . Was bedeutet das für Ihr Geschäft?
Ich finde die Umsetzung dieses Gesetzes für die Luftfahrt nicht optimal, denn es ist nicht international abgestimmt. Ich glaube auch nicht, dass es weniger Businessjet-Flüge geben wird, auch wenn sie 500 bis 3000 Franken teurer werden pro Abflug. Denn unsere Passagiere fliegen nicht aus Vergnügen, sondern aus Notwendigkeit.
Dann müsste die Abgabe noch teurer sein!
Nein. Zusammen mit Grossbritannien werden wir die höchsten CO2-Abgaben weltweit bezahlen. Wenn wir jemanden von Genf aus fliegen, müssen wir die Gebühr sogar zweimal bezahlen, einmal in Zürich und einmal in Genf. Das fördert Leerflüge aus Billigländern und dient dem Klima in keiner Weise. Und wenn wir am Euroairport in Basel durch die andere Türe beim Zoll gehen, bezahlen wir massiv günstigere Steuern in Frankreich statt sehr hohe in der Schweiz. Das macht keinen Sinn.
Was wäre Ihr Vorschlag?
Es braucht eine einfachere, unbürokratischere, global koordinierte Lösung. Und die Abgabe-Einnahmen sollten zurück in die Aviatik fliessen, in die Erforschung und Verwendung von nachhaltigem Kerosin, anstatt wie geplant in die AHV – oder noch schlimmer, dass sie irgendwo in der Verwaltung versickern.
Seit Jahren spricht die Branche von nachhaltigem Kerosin und internationalen Lösungen. Wo bleiben die Resultate?
Schon heute kann man in den herkömmlichen Flugzeugen bis zu 50 Prozent synthetisches Kerosin beimischen, nur ist es noch sehr teuer und vor allem noch nicht genügend vorhanden. Das Ziel der Branche sind 100 Prozent, denn die Flugzeuge, die heute in Betrieb sind, werden nicht so rasch verschwinden.
Es gibt aber Start-ups, die elektrisch betriebene Flugzeuge entwickeln.
Absolut. Gerade für so genannte Air-Taxis und kurze Strecken wird diese Technologie durchaus realistisch sein. Aber für längere Reisen werden Flugzeuge mit reinem Elektro-Antrieb kaum realisierbar sein. Andere Antriebs-Technologien wie Wasserstoff oder Brennstoffzellen sind in der Erforschung und haben bessere Chancen für Langstreckenflüge. Das wird aber noch viele, viele Jahre dauern.
Sie sind über das Pensionsalter hinaus. Wie lange möchten Sie die Firma noch führen?
Die Nachfolgelösung ist an sich bereits in Gang, doch wegen Corona geriet dies etwas in den Hintergrund. Ein Führungswechsel mitten im grössten Sturm wäre nicht ideal.
Gibt es eine interne Lösung oder wäre auch ein Verkauf möglich?
Das ist alles noch offen. Ich habe keine Kinder, insofern ist alles möglich. Wichtig ist mir einfach, dass sich die Firma auch in Zukunft stabil weiterentwickeln kann und unsere hohen Qualitätsansprüche und die soziale Verantwortung beibehalten werden.
...ja, Mann
Passiert mir auch ständig