Wirtschaft
USA

Ölpreis: Warum Verkäufer eines Erdölfasses plötzlich Geld zahlen müssen

FILE - This Jan. 16, 2015, file photo shows pumpjacks operating at the Kern River Oil Field in Bakersfield, Calif., which is overseen by the U.S. Bureau of Land Management. Oil production from federal ...
Überfüllte Lagerbestände und die eingebrochene Nachfrage lösen schwere Turbulenzen am Öl-Markt aus.Bild: AP

Verrückte Börse: Warum der Verkäufer eines Erdölfasses plötzlich Geld zahlen muss

In den USA ist der Ölpreis wegen der Coronakrise erstmals in seiner Geschichte ins Minus gestürzt.
21.04.2020, 13:32
Daniel Zulauf / ch media
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Die Preiskapriolen auf den internationalen Rohstoffmärkten haben am Montagabend einen neuen Höhepunkt erreicht. Wer gestern Abend, unmittelbar vor der Hauptsitzung der US-Rohstoffbörse New York Mercantile Exchange, ein Fass texanisches Erdöl verkaufen wollte, musste in der Spitze über 40 Dollar bezahlen um die 159 Liter des «Schwarzen Goldes» überhaupt loszuwerden.

Sicher ist, dass dieser Vorgang in der 37-jährigen Geschichte der weltgrössten Rohstoffbörse einmalig ist. Vermutlich findet sich aber auch viel tiefer in der Vergangenheit kein ähnliches Ereignis.

Wie immer an der Börse ging es auch gestern nur um das freie Spiel von Angebot und Nachfrage: Der Preis für texanisches Erdöl musste genauso lange fallen, bis er auf eine entsprechende Nachfrage stiess. Für das Angebot sorgten Spekulanten, welche die Ware mit Liefertermin Mai erworben hatten, ohne aber jemals die Absicht gehabt zu haben, sich das Erdöl tatsächlich liefern zu lassen.

Spekulanten wollen das Öl gar nie physisch besitzen

Das ist übrigens weder ungewöhnlich noch anstössig, sondern Alltag auf jedem Börsenhandelsplatz. Die Spekulanten sind sozusagen das Schmiermittel der Märkte. Sie sorgen dafür, dass meistens genügend Käufer und Verkäufer vorhanden sind. Dafür nimmt man auch in Kauf, dass die Spekulation bisweilen exzessive Preisausschläge zur Folge hat.

Doch auf Warenterminmärkten und insbesondere im Erdölmarkt gibt es eben diese erwähnte eine Besonderheit: Wer mit Erdöl nur finanziell spekulieren, aber die Ware niemals physisch besitzen will, muss sicherstellen, dass dies ein anderer für ihn tut.

Genau damit haben einige Erdölspekulanten allzu lange zugewartet, bis ihnen die Gegenseite am Montagabend die Rechnung präsentierte. In Erwartung, dass US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahrmachen und den Import von saudischem Erdöl unterbinden würde, hofften die Spekulanten bis zuletzt, ihre seit Wochen fallenden Mai-Kontrakte doch noch zu einem höheren Preis veräussern zu können.

Lagerung wird teurer als die Ware selbst

In der Zwischenzeit waren die Lagerplätze in Oakland, wo die physische Lieferung der New Yorker Börse gekauften Erdölfässer erfolgt, aber weitgehend ausgebucht. Vor diesem Hintergrund haben auch auf der Seite der Nachfrager Spekulanten ein gutes Geschäft gewittert und den Preis ihrer knappen Lagerkapazität drastisch erhöht. So wurde es möglich, dass die Lagerung eines Fasses Erdöl plötzlich viel teurer wurde als die Ware selbst.

Allerdings sollte man bei der Betrachtung dieser Marktkapriolen die Relationen nicht aus den Augen verlieren. In den besagten 30 Minuten des grossen Preiszerfalls wurden ziemlich genau zwei Millionen Fässer gehandelt. Das entspricht einem Volumen von weniger als zwei Prozent der täglich in New York umgesetzten Erdölkontrakte. Fazit: In die äussersten Extreme der Märkte wagen sich auch unter Spekulanten nur die wenigsten vor. (bzbasel.ch)

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44 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bene883
21.04.2020 14:15registriert Juli 2014
"Das ist übrigens weder ungewöhnlich noch anstössig" als Beschreibung für Spekulanten ist ein Witz. Spekulanten sind die kranken Auswüchse unserer Bank-/Finanzpolitik und gehören verboten (In allen Märkten). Auch wenn uns das als Schweiz weh tut, ist es genau sowas, was uns und die Welt an den Abgrund bringen wird. Wenn die Lagerkosten hoch und der Verkaufspreis tief (oder sogar unter null) sind kommen die Produzenten noch auf die Idee, die schwarze Schütti irgendwo in der Natur auszukippen. Dann sagt nochmals Spekulanten seien nicht anstössig!
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
21.04.2020 15:19registriert Juni 2016
"Sicher ist, dass dieser Vorgang in der 37-jährigen Geschichte der weltgrössten Rohstoffbörse einmalig ist. Vermutlich findet sich aber auch viel tiefer in der Vergangenheit kein ähnliches Ereignis" das gabs aber vor ein paar Jahre in der Strombranche als zuviel Strom produziert wurde und man Pumpspeicherwerken Geld gab um mitten am Tag die Pumpen zu starten
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Füürtüfäli
21.04.2020 13:43registriert März 2019
Spannend ist, was das für die Ölstaaten am persischen Golf heißt. Wirklich stabil sind die meisten davon ohnehin nicht - wenn jetzt im großen Stil das Geld ausbleibt wird es wirklich spannend.

Klar - auch für andere Länder wird das nicht lustig. Aber in den USA z.B. ist es nur eine Branche von vielen und Russland hat zumindest etwas Puffer in seinem Fonds.
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