Schon länger ist bekannt, dass viele Covid-19-Patienten unter neurologischen Symptomen wie Geruchs- und Geschmacksverlust leiden. Neben diesen oft lange andauernden Beschwerden kann eine Corona-Infektion offenbar auch schwerwiegendere Folgen haben.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) kann es zu «diffusen Hirnschädigungen mit neurologischen und psychiatrischen Auffälligkeiten, zu einer Entzündung von Gehirn und Rückenmark oder zu Schlaganfällen kommen».
Das Kuriose sei dabei, dass nicht nur Covid-19-Patienten mit Herz-Kreislauf-Risiken einen Schlaganfall erleiden würden. Auch bei jungen, «gefässgesunden» Menschen könne ein Hirnschlag auftreten.
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Beunruhigend sei zudem die Erkenntnis, dass die neurologischen Symptome oft länger bestehen bleiben. Das zeigte eine Studie aus Italien, die bereits im Juli im englischsprachigen Fachblatt «JAMA» veröffentlicht wurde. Sie untersuchte, ob und welche Beschwerden bei Covid-19-Patienten nach der Klinikentlassung bestehen blieben. 87 Prozent der Erkrankten wiesen im Nachgang noch Symptome auf.
Die häufigsten neurologischen Folgen waren dieser Studie zufolge:
Wie genau das Coronavirus ins Gehirn vordringen kann, war aber lange unklar. Experten der Neuropathologie, Pathologie, Rechtsmedizin, Virologie und der klinischen Versorgung an der Berliner Charité haben nun neue Erkenntnisse dazu im Fachmagazin «Nature Neuroscience» veröffentlicht.
Demnach gelangt das Coronavirus über die Nervenzellen der Riechschleimhaut direkt von der Nase ins Gehirn. Die Riechschleimhaut befindet sich in den oberen Nasenmuscheln, am sogenannten Nasendach auf beiden Seiten der oberen Nasenscheidewand. Auf ihr liegen rund zehn Millionen Riechzellen, wie der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte erklärt.
Hot off the press at #CharitéBerlin – @NatureNeuro on how #SARSCoV2 is able to reach the brain via nerve cells in the olfactory mucosa. Also: the first electron microscope image of intact coronavirus particles inside the olfactory mucosa. https://t.co/ZjOQZPK5lL @labheppner pic.twitter.com/NVhuWohGMs— Charité - Universitätsmedizin Berlin (@ChariteBerlin) November 30, 2020
Das Forscherteam um Prof. Dr. Frank Heppner, Direktor der Neuropathologie der Charité, untersuchte 33 Gewebeproben von Personen, die im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung verstorben waren – im Schnitt in einem Alter von knapp 72 Jahren. Mit modernsten Methoden analysierten die Wissenschaftler Proben aus der Riechschleimhaut sowie vier verschiedenen Hirnregionen.
Das Ergebnis: Sie konnten intakte Viruspartikel in verschiedenen Strukturen nachweisen, die Auge, Mund und Nase mit dem Hirnstamm verbinden. Die höchste Viruslast zeigte sich dabei in der Riechschleimhaut. «Auf Basis dieser Daten gehen wir davon aus, dass SARS-CoV-2 die Riechschleimhaut als Eintrittspforte ins Gehirn benutzen kann», heisst es einer Mitteilung. Gleichzeitig erklärt dies den Forschern zufolge die häufigen Störungen des Riech- und Geschmackssinns bei einer Corona-Infektion.
Allerdings geben die Forscher zu bedenken, dass bei der Studie nur verstorbene Covid-19-Patienten untersucht wurden, die zu Lebzeiten einen schweren Verlauf erlitten. Auf mittlere oder leichte Verläufe könne sie also nicht übertragen werden.
Weiterhin unklar ist auch, wie genau sich das Virus von den Nervenzellen ausbreitet. Das Forscherteam gehe davon aus, dass es «von Nervenzelle zu Nervenzelle» wandere, um das Gehirn zu erreichen. Aber auch ein Transport über das Blutgefässsystem sei möglich, wie Daten der Studie belegen. Ähnlich verbreiten sich auch Herpes-simplex-Viren oder das Tollwut verursachende Rabiesvirus.
Verwendete Quellen: