Im Frühjahr 1916 hatte die deutsche Flottenführung ein Image-Problem: Seit fast zwei Jahren tobte nun schon der Erste Weltkrieg, doch die kostspielige Kaiserliche Hochseeflotte lag nahezu untätig in den Heimathäfen. Nur zwei kleinere Scharmützel mit der überlegenen Royal Navy hatte es gegeben; beide hatten mit einer deutschen Niederlage geendet.
Die Briten dachten gar nicht daran, ihre wertvollen Schiffe in die Nähe der deutschen Küste zu bringen und eine Entscheidungsschlacht mit der zweitgrössten Flotte der Welt zu suchen. Statt ihre Seeherrschaft aufs Spiel zu setzen, sperrten sie die Nordsee zwischen Norwegen und Schottland und im Ärmelkanal. Diese Blockade traf die Kriegswirtschaft der Mittelmächte empfindlich.
Ende Mai 1916 suchte die deutsche Admiralität einen Ausweg aus dem Patt: Die «schwimmende Wehr» lief aus. Ziel des Manövers war, zuerst mit den schnellen Schlachtkreuzern britische Marineverbände anzulocken und diese dann mit der überlegenen Hauptflotte zu vernichten, bevor die Hauptmacht der britischen Grand Fleet zur Stelle war.
Danach wäre es möglich gewesen, die geschwächte britische Flotte in einem Entscheidungskampf zu besiegen, die Seeherrschaft in der Nordsee an sich zu reissen und endlich die Seeblockade der Royal Navy zu beenden.
Die Briten hatten aber einen Vorteil: Sie konnten die deutschen Funksprüche entziffern. Sie liessen daher ihre deutlich überlegene Grand Fleet ebenfalls auslaufen. Westlich des «Skagerrak» genannten Seegebiets in der Nordsee trafen die beiden Flotten am 31. Mai aufeinander.
Die kombinierte Feuerkraft der rund 100 deutschen und 150 britischen Kriegsschiffe war ungeheuer – sie hätte ausgereicht, eine Grossstadt zu vernichten. Allein die Briten führten 37 Grosskampfschiffe – Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer – unter Oberbefehlshaber Admiral Sir John Rushworth Jellicoe ins Gefecht. Sein Gegenspieler, Admiral Reinhard Scheer, verfügte über 21 Grosskampfschiffe.
Zuerst kamen die schnellen Schlachtkreuzergeschwader in Gefechtsberührung: Das britische Geschwader unter Vizeadmiral David Beatty traf auf den deutschen Verband unter Vizeadmiral Franz Hipper. Dieser befahl eine Wendung nach Südosten, um die Briten wie vorgesehen zur deutschen Hauptmacht zu locken.
Nachdem sich die Distanz zwischen den Verbänden auf rund 15 Kilometer verringert hatte, eröffneten die Deutschen das Feuer. Trotz der grösseren Reichweite ihrer Artillerie erlitten die Briten schwere Verluste. Zuerst sank die «Indefatigable» nach einem Volltreffer, kurz darauf explodierte die «Queen Mary» und sank innert kürzester Zeit. Von den jeweils 1200 Mann Besatzung der Schlachtkreuzer überlebten insgesamt nur 24.
Als die Hochseeflotte – für die Briten überraschend – in Sicht kam, drehten die britischen Schiffe ab. Nun versuchten sie ihrerseits, die Hochseeflotte zur Grand Fleet zu locken. Dies gelang – gegen Abend traf die deutsche Flotte auf Jellicoes Grossverband. Der britische Admiral war aufgrund von Kommunikationsproblemen mit Vizeadmiral Beatty zunächst nicht genau im Bilde über die Position der deutschen Verbände.
Noch rechtzeitig vor dem Eintreffen Scheers gelang es Jellicoe, seine Flotte in einer Kiellinie zu formieren. Dies erlaubte ihm, das Manöver «Crossing the T» (siehe Infobox) durchzuführen, das den britischen Schiffen ermöglichte, volle Breitseiten auf den Gegner abzufeuern.
Einzig mit einem gewagten Gegenmanöver, einer sogenannten Gefechtskehrtwendung, gelang es Scheer, sich von den Briten zu lösen. Nur knapp entging die Hochseeflotte einem Desaster.
Noch zwei weitere Male befahl Scheer dieses Manöver – zuerst, um durch diesen überraschenden Angriff den Rückweg zu öffnen; danach, um sich dem Feind wieder zu entziehen. Auch dieses Mal wurde die Annäherung an die britische Linie mit vernichtendem Feuer beantwortet. Zu Scheers Glück wollte Jellicoe einen Nachtkampf vermeiden, so gelang der deutschen Flotte im Schutz der Dunkelheit der Rückzug. Während der Nacht kam es noch zu vereinzelten Gefechten mit britischen Zerstörern.
Nach der Schlacht reklamierten beide Seiten den Sieg für sich. Für die Deutschen sprach, dass sie den Briten trotz deren Übermacht klar schwerere Verluste zugefügt hatten. 14 versenkte Schiffe – 3 Schlachtkreuzer, 3 ältere Panzerkreuzer und 8 Zerstörer – und 6094 Tote waren auf britischer Seite zu beklagen. Die deutsche Flotte hatte demgegenüber nur ein älteres Schlachtschiff, 4 Leichte Kreuzer und 5 Torpedoboote verloren. Auch die Verluste an Menschenleben waren mit 2551 Toten deutlich geringer.
Für die Briten sprach dagegen, dass es der deutschen Flotte nicht gelungen war, die Kräfteverhältnisse entscheidend zu ändern. Zudem vermochten die Deutschen ihre Verluste nicht so schnell zu ersetzen wie die Briten. Vor allem aber änderte die Schlacht nichts an der britischen Seeblockade – die britische Seeherrschaft blieb strategisch unangefochten.
Aus diesem Grund gelangte die deutsche Admiralität zur Überzeugung, dass die Grosskampfschiffe nicht dafür geeignet waren, die britische Seeherrschaft zu erschüttern oder auch nur die Handelsschiffahrt empfindlich zu stören.
Nun suchte man auf deutscher Seite das Heil immer mehr in einer neuen Waffe: Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg sollte die Versorgung Grossbritanniens abschnüren und das Inselreich so in die Knie zwingen. Stattdessen führte er zum Kriegseintritt der zuvor neutralen USA – und damit zur endgültigen Niederlage der Mittelmächte.