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«Tunnel der Toten» aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt

Winterberg, Chemin des Dames, Erster Weltkrieg
Der «Winterberg» auf dem Chemin des Dames. Unter dieser Anhöhe befand sich der rund 300 Meter lange Winterberg-Stollen.Bild: gemeinfrei

«Tunnel der Toten» aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt

21.03.2021, 19:1422.03.2021, 15:10
Daniel Huber
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Mehr als 270 Männer des badischen Reserve-Infanterieregiments 111 starben im Mai 1917 einen qualvollen Tod in einem Stollen beim Chemin des Dames, einem Abschnitt der Westfront. Der Eingang zum sogenannten Winterberg-Tunnel wurde verschüttet, der Stollen nicht mehr gefunden. Mehr als 100 Jahre lang lagen die Leichen in ihrem vergessenen Grab. 2020 wurde der Tunnel nach einer langen Suche entdeckt – doch die deutschen und französischen Behörden sind über den Fund nur mässig erfreut.

Der Chemin des Dames ist ein Höhenzug im Dreieck zwischen den nordostfranzösischen Städten Laon, Soissons und Reims. Im Ersten Weltkrieg zogen sich die deutschen Truppen nach der Schlacht an der Marne hierher zurück und bezogen hier im September 1914 eine Auffangstellung. Von da an gehörte der Chemin des Dames zu den am heftigsten umkämpften Abschnitten der Westfront. Hunderttausende von Soldaten verloren hier ihr Leben; noch heute finden Bauern beim Pflügen Metallteile, Ausrüstungsgegenstände und menschliche Knochen.

Die Deutschen bauten den Höhenzug im Laufe der nächsten zwei Jahre zu einer Festung mit einem komplexen unterirdischen Tunnelsystem aus. Zu diesem System gehörte der Winterbergtunnel, der vom völlig zerstörten Dorf Craonne aus 300 Meter in südlicher Richtung verlief und dazu diente, die vorderste Linie der deutschen Schützengräben zu versorgen.

Die Offensive des «Blutsäufers»

Seit Mitte April 1917 tobte in der Gegend die Schlacht an der Aisne – eine gross angelegte Offensive der französischen Truppen gegen den als uneinnehmbar geltenden Höhenzug. In weniger als zehn Tagen kamen dabei 30'000 französische Soldaten ums Leben, 100'000 wurden verwundet. Trotzdem befahl der Oberbefehlshaber, der als «Blutsäufer» bekannte General Robert Nivelle, die Fortsetzung des Angriffs.

Anfang Mai 1917 waren viele Soldaten aus dem Grossherzogtum Baden im Gebiet von Craonne stationiert. Am 4. Mai brach die Hölle über diese Männer herein: Die französische Armee nahm an diesem Tag ihren Angriff wieder auf; der Schwerpunkt der Attacke lag im Raum Craonne. Die Franzosen setzten einen Beobachtungsballon ein, um ihre Kanonen auf den Eingang des Tunnels auszurichten. Schweres Artilleriefeuer pflügte seit dem Morgen den Boden um, zahlreiche deutsche Soldaten hatten sich in den Schutz des Tunnels zurückgezogen. Ein Offizier notierte: «Der ganze Berg bebte, Sand regnete von der Decke, und trotz einer 20 Meter dicken Bodendecke glaubte man in jedem Moment, dass der Tunnel einstürzen würde.»

Noch schlimmer war die Schlacht von Verdun:

Kurz vor Mittag schlug eine Granate des schwersten Kalibers beim Eingang des Tunnels ein und brachte dort gelagerte deutsche Munition zur Explosion. Der Eingang stürzte auf einer Länge von mehreren Metern komplett ein; eine weitere Granate traf auf der anderen Seite den Ausgang und verschüttete auch diesen. Auch die Lüftungslöcher waren zugeschüttet. Die Soldaten im Tunnel sassen nun in einer tödlichen Falle.

Qualvoller Tod im Tunnel

Von aussen kam keine Hilfe, denn der ständige Granatbeschuss verhinderte jegliche Rettungsarbeiten. Die Soldaten im Inneren des Tunnels versuchten, sich mit blossen Händen aus ihrem Gefängnis zu befreien – vergeblich. Schreckliche Szenen spielten sich ab, während die jungen Männer in einem tagelangen Todeskampf allmählich an Sauerstoffmangel zugrunde gingen. Nur drei von ihnen überlebten wie durch ein Wunder; sie wurden einen Tag bevor die Franzosen den Winterberg einnahmen befreit.

Französische Geländegewinne in der Aisne-Offensive April/Mai 1917. 
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Aisne_(1917)#/media/Datei:French_territorial_gains_on_the_Aisne,_Nivelle_Offensive,_Ap ...
Französische Vorstösse in der Aisne-Offensive April/Mai 1917.Karte: Wikimedia

Die Eingeschlossenen hätten in der unerträglichen Hitze vergeblich nach Wasser verlangt, sie hätten nach ihren Eltern, ihren Ehefrauen, ihren Kindern gerufen, erzählte einer der Überlebenden. In ihrer Angst vor dem Erstickungstod erschossen sich einige, während andere ihre Kameraden darum baten, sie zu erschiessen.

Die vorrückenden Franzosen hatten keine Zeit und wohl auch keine Lust, sich um den Tunnel und die darin eingeschlossenen toten und sterbenden Soldaten zu kümmern. Ohnehin besetzten die Deutschen das Gelände bald erneut, nachdem die französische Offensive nach fürchterlichen Verlusten zusammengebrochen war und es sogar zu Meutereien unter den «Poilus», den französischen Frontsoldaten, gekommen war.

Die Verwüstungen durch das Artillerie-Bombardement waren so ungeheuer, dass es nicht mehr gelang, den Eingang des Tunnels zu finden. Die Angaben auf den Karten passten nicht mehr zu der von Granaten umgepflügten Landschaft. Nach dem Krieg überwucherte Wald die Kraterlandschaft und das Massengrab geriet in Vergessenheit – zumal es sich um deutsche Gefallene handelte, für die sich das französische Interesse in Grenzen hielt.

Recherchen eines Hobby-Historikers

Sehr wohl Interesse zeigte aber seit den Achtzigerjahren der französische Hobby-Historiker Alain Malinowski, der aus Orainville nördlich von Reims stammt, nur wenige Kilometer vom Winterberg entfernt. Malinowski, der in Paris bei der Metro arbeitete, gab sich nicht damit zufrieden, die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs nach Objekten abzusuchen, er besuchte in seiner Freizeit auch die Militärarchive des Château de Vincennes in der Nähe von Paris. Dort entdeckte er in den Neunzigerjahren eine Kiste mit Lageplänen eines langen Tunnels bei Craonne. Ihm war klar, dass es sich um den legendären Winterberg-Stollen handeln musste.

Karte der Stellungen bei Craonne
Karte der Stellungen bei Craonne mit dem Winterberg-Stollen.Karte: gemeinfrei

Malinowski suchte fünfzehn Jahre lang nach dem Tunnel, ohne Erfolg. Doch 2009 stiess er zufällig auf eine Karte vom 28. April 1917, auf der nicht nur der Winterberg-Stollen eingezeichnet war, sondern auch eine Kreuzung von zwei Pfaden, die es noch immer gab. Mithilfe von möglichst genauen Messungen gelang es Malinowski, eine Stelle zu lokalisieren, unter der sich der Tunnel befinden musste. Malinowski informierte die zuständigen französischen Behörden, und es geschah – nichts.

Illegale Grabung in der «Zone rouge»

Möglicherweise glaubten die Beamten dem Hobby-Historiker schlicht nicht. Oder sie trauten ihm nicht – Amateurforscher, die auf eigene Faust Ausgrabungen organisieren, sind den offiziellen Stellen meist ein Gräuel. Jedenfalls blieben sie in den folgenden zehn Jahren nahezu untätig und stellten weitere Untersuchungen an.

Aus Ärger über diese Untätigkeit schritten Malinowskis Söhne Pierre und Erik zur Tat. Beide teilen die Begeisterung ihres Vaters für historische Themen; Pierre, eine schillernde Persönlichkeit, ist Präsident der von ihm gegründeten «Fondation pour le développement des initiatives historiques franco-russes» und lebt in Russland. Der Ex-Soldat und ehemalige Assistent des rechtsextremen «Front-National»-Gründers Jean-Marie Le Pen im Europa-Parlament hat schon verschiedene historische und archäologische Projekte durchgeführt.

Pierre Malinowski
https://www.youtube.com/watch?v=W3Xp8OPzaxE
Malinowski nannte den Winterberg-Stollen «das Pompeji des Ersten Weltkriegs».Screenshot: Youtube

Im Januar 2020 brachten die Brüder ein eigenes Grabungsteam und einen Bagger zu der Stelle, die ihr Vater als Eingang zum Winterberg-Stollen lokalisiert hatte. Sie gruben vier Meter in die Tiefe und stiessen in der Tat auf den Eingang des Tunnels. Sie fanden eine Alarmglocke, Gasmasken-Behälter, Gleise für den Munitionstransport, Waffen und die Überreste von zwei Soldaten.

Einige der Soldaten, die im Winterberg-Stollen ihr Leben liessen, sind nun identifiziert worden.
Einige der Soldaten, die im Winterberg-Stollen ihr Leben liessen, sind nun identifiziert worden.Bild: Hohenzollern Gedenkbuch 1914-18

Die Hobby-Archäologen verschlossen den Eingang wieder und informierten die Behörden über ihre Aktion – die illegal war, denn in der sogenannten «Zone rouge» (rote Zone) sind Ausgrabungen von Privaten nicht erlaubt. Zum einen, weil die Totenruhe der Gefallenen gestört werden könnte, zum anderen, weil Grabungen hier sehr gefährlich sind, denn in dieser ehemaligen Hauptkampfzone liegen nach wie vor Munitionsreste und Blindgänger. Pierre Malinowski rechtfertigte die illegale Grabung später mit der Untätigkeit der offiziellen Stellen: «Wenn man ein solches Projekt nicht auf diese Weise lanciert, wird nie etwas geschehen, denn es gibt zu viele Protokolle», sagte er im Dezember 2020 dem französischen TV-Sender LCI.

«Das Bemühen, die Toten zu suchen, ist ehrenwert, doch die Durchführung der Aktion – ohne Beteiligung und Genehmigung der zuständigen Behörden – ist unangebracht, sogar kontraproduktiv.»
Generalsekretärin des VDK, Daniela Schily

Verärgerte Kriegsgräberfürsorge

Nachdem die Behörden weitere zehn Monate untätig geblieben waren, wandte sich Pierre Malinowski verärgert an die Öffentlichkeit und erzählte die ganze Geschichte der Zeitung «Le Monde». Nun meldeten sich die zuständigen Stellen, allerdings mit harscher Kritik an den Malinowskis. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) verurteilte die Grabungen in einer Mitteilung. Die Generalsekretärin des VDK, Daniela Schily, sagte: «Das Bemühen, die Toten zu suchen, ist ehrenwert, doch die Durchführung der Aktion – ohne Beteiligung und Genehmigung der zuständigen Behörden – ist unangebracht, sogar kontraproduktiv. Selbst wenn historisch Interessierte denken, sie müssten aktiv werden, um die Toten zu bergen, können diese im schlimmsten Fall das Gegenteil bewirken, nämlich die Plünderung der Gräber.»

Der VDK stellte zusammen mit seinen französischen Partnerorganisationen ONAC und DRAC bereits im Sommer 2020 Untersuchungen zum Winterberg-Stollen an, unter anderem mithilfe eines Georadars. Weitere Untersuchungen mit Spezialgeräten sollen folgen. Eile ist geboten, weil tatsächlich bereits Plünderer versucht haben, in den Stollen einzudringen. Dies ist auch deshalb problematisch, weil dort bisher vermutlich kein Sauerstoff vorhanden ist und Gegenstände im Stollen daher recht gut erhalten sein dürften. Selbst die Leichen könnten mumifiziert sein, wie der Historiker Markus Klauer dem Sender LCI erklärte. Zudem gebe es dort sicher Briefe, vielleicht auch Fotos. Auf jeden Fall handle es sich um einen wertvollen menschlichen Schatz für die Angehörigen der Gefallenen.

Die Frage, was mit dem Winterberg-Stollen geschehen soll, muss daher bald beantwortet werden. Sollen die Leichen der Gefallenen dort verbleiben oder sollen sie in ein gemeinschaftliches Grab überführt werden? Soll aus dem Tunnel ein Museum werden, oder eine binationale deutsch-französische Erinnerungsstätte? Möglicherweise werden die illegalen Grabungen der Familie Malinowski doch noch zu einem guten Ende beitragen.

Der Erste Weltkrieg im Schnelldurchlauf:

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28. Juni 1914: Attentat in Sarajevo
In Sarajevo herrscht strahlendes Wetter. Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand besucht mit seiner Gemahlin Sophie die bosnische Hauptstadt. Sie werden in einem offenen Wagen durch die Strassen kutschiert.
ONE OF ONE HUNDRED PHOTOS WORLD WAR ONE CENTENARY TIMELINE FILE - In this June 28, 1914 file photo, the Archduke of Austria Franz Ferdinand, center right, and his wife Sophie, center left, walk to the ...
Bild: AP
Der Erzherzog ist nicht willkommen; mehrere Attentäter lauern in der Menge der Zuschauer. Einer von ihnen, der 19-jährige serbische Nationalist Gavrilo Princip, schiesst: Franz Ferdinand und seine Frau werden tödlich getroffen. Die letzten Worte des Thronfolgers sind: «Es ist nichts, es ist nichts ...»

Doch es ist nicht nichts: Die vom Zwist der Nationalitäten zermürbte Donaumonarchie nimmt das Attentat zum Anlass, ihren bedrohten Grossmachtstatus unter Beweis zu stellen. Wien, von Berlin bestärkt, stellt Serbien ein Ultimatum, Russland eilt dem slawischen Brudervolk zu Hilfe – das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Rap-Battle der wichtigsten Protagonisten (Youtube/BBC)
28. Juli 1914: Der Krieg beginnt
Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg und eröffnet damit den Reigen der Kriegserklärungen. Diplomatisches Versagen, Bündnisautomatik und die Zwänge der militärischen Planung führen die europäischen Mächte in den Grossen Krieg, der alles ändern wird.
kriegszustand erster weltkrieg deutschland kaiser wilhelm II. wikipedia/pd
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. verordnet den Kriegszustand.
3. August 1914: Einmarsch in Belgien
Für den Fall eines Zweifrontenkriegs, wie er dem Deutschen Reich in seiner Mittellage droht, hat der deutsche Generalstab den sogenannten Schlieffenplan entwickelt. Er sieht vor, zuerst im Westen Frankreich in nur sechs Wochen zu schlagen und danach Russland im Osten. Den schnellen Sieg im Westen soll ein Umfassungsangriff des nördlichen (rechten) Heeresflügels durch Belgien und Nordfrankreich bringen, der die französischen Armeen einkesseln soll.
Erster Weltkrieg Westfront Schlieffen-Plan
Der ursprüngliche Schlieffen-Plan, 1905. Er sah auch einen Durchmarsch durch die Niederlande vor und griff noch weiter nach Westen aus. (Wikipedia/Furfur)
In der Nacht auf den 4. August marschieren deutsche Truppen in Belgien ein und verletzen damit völkerrechtswidrig dessen Neutralität. Grossbritannien reagiert darauf umgehend mit der Kriegserklärung.
Die deutschen Truppen stossen auf unerwartet zähen Widerstand, besonders bei der Festung Lüttich. Schon jetzt verliert Deutschland den Propagandakrieg, auch weil deutsche Truppen tausende von Zivilisten als Geiseln erschiessen, als Vergeltung für das Feuer von vermeintlichen Heckenschützen – in Wahrheit vermutlich «friendly Fire».
Erster Weltkrieg Propaganda Plakat (Wikipedia/PD)
Das US-Propagandaplakat von 1918 erinnert an deutsche Gräuel in Belgien. (Wikipedia/PD)

Die Schweizer Armee macht mobil. Gleichentags wählt die Bundesversammlung Ulrich Wille zum General. Die aktive Feldarmee hat eine Gesamtstärke von 250'000 Mann, dazu kommen 77'000 Pferde. Am 4. August erklärt der Bundesrat die strikte Neutralität der Schweiz.
Erster Weltkrieg Schweizer Armee
Artillerie-Einheit bei Bülach ZH (Schweizerisches Bundesarchiv)
26. August 1914: Schlacht bei Tannenberg
Der deutsche Sieg über die überraschend schnell nach Ostdeutschland vorgestossenen russischen Armeen bei Tannenberg stoppt den russischen Vormarsch in Ostpreussen und begründet den Hindenburg-Mythos.
9. September 1914: Das «Wunder an der Marne»
Der deutsche Vormarsch nähert sich Paris, doch dabei entsteht zwischen zwei deutschen Armeen eine Lücke, in die ab dem 5. September französische und britische Truppen hineinstossen. In der Marne-Schlacht stoppen die Alliierten den deutschen Vorstoss. Die Franzosen verlegen Truppen aus Lothringen an die Marne und karren sogar mit Pariser Taxis Soldaten an die Front, während die Deutschen aus Angst vor dem unerwartet schnellen russischen Vormarsch Truppen nach Osten abziehen. Am 9. September ziehen sich die Deutschen rund 80 Kilometer hinter die Aisne zurück – was die Franzosen das «Wunder an der Marne» nennen.
Erster Weltkrieg Westfront 1914 französische Soldaten (Wikipedia/PD)
Französische Soldaten 1914 an der Westfront (Wikipedia/PD)

Mit diesem taktischen Rückzug ist der Schlieffenplan gescheitert. Generalstabschef Helmuth von Moltke erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird durch Erich von Falkenhayn ersetzt.
Fehler der Kriegführenden im August und September 1914 (Youtube/Thomas D.)
14. September 1914: «Wettlauf zum Meer»
Falkenhayn versucht, mit dem Vorstoss zur Kanalküste («Wettlauf zum Meer») die militärische Initiative zurückzugewinnen, die britischen und französischen Armeen an der Flanke zu umfassen und die Kanalküste an der Strasse von Dover unter Kontrolle zu bringen. Nach dem 19. Oktober geht der Bewegungskrieg an der Westfront endgültig in einen Stellungskrieg über. Das zeigt sich in der Ersten Flandernschlacht um die strategisch wichtige belgische Stadt Ypern.
29. Oktober 1914: Kriegseintritt des Osmanischen Reiches
Das Osmanische Reich – aufgrund seiner sich im 19. Jahrhundert immer deutlicher offenbarenden Schwäche oft als «kranker Mann am Bosporus» tituliert – tritt auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg ein.
Erster Weltkrieg Türkische Soldaten Osmanisches Reich 1914
Osmanische Soldaten um 1914 (PD)
14. Dezember 1914: «Unser Schweizer Standpunkt»
Der angesehene Dichter und spätere Nobelpreisträger Carl Spitteler warnt in einem Vortrag zur Neutralität der Schweiz vor der möglichen Spaltung des Landes. Der nationale Zusammenhalt zwischen Deutschschweiz und Romandie sei durch den Krieg gefährdet.
Carl Spitteler 1905 Schweizer Dichter
Bild: Wikipedia/PD
Spitteler 1905 (Wikipedia/PD)
24. Dezember 1914: «Weihnachtsfrieden»
Zuerst schiessen sie aufeinander, nun feiern sie miteinander: An einigen Abschnitten der Westfront in Flandern schliessen – hauptsächlich britische und deutsche – Soldaten spontan und inoffiziell einen temporären Waffenstillstand, um gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Erster Weltkrieg 1914 Westfront Weihnachtsfrieden Christmas Truce (Wikipedia/PD)
Deutsche und britische Soldaten während des Weihnachtsfriedens (Wikipedia/PD)
16. Februar 1915: Winterschlacht in der Champagne
Eine gemeinsame grosse Offensive der Briten und Franzosen in der Champagne soll den bedrängten Bündnispartner Russland entlasten. Der Angriff wird nach fürchterlichen Verlusten am 20. März abgebrochen. Allein die Franzosen verlieren etwa 240'000 Soldaten – Tote, Verwundete und Gefangene.
19. Februar 1915: Schlacht von Gallipoli
Nachdem britische und französische Kriegsschiffe im Februar und im März die türkischen Stellungen an den Dardanellen erfolglos angegriffen haben, soll Ende April ein Landungsunternehmen die osmanische Artillerie ausschalten. Das Ziel der Entente ist, die von den Türken gesperrten Meerengen wieder für den Nachschub nach Russland zu öffnen.
Der Widerstand der osmanischen Truppen ist aber wider Erwarten zäh; zugleich spielt den Verteidigern unter dem Kommando Mustafa Kemal Atatürks die Arroganz der britischen Offiziere in die Hände, die ihren Gegner unterschätzen. Bis zum August verlieren die Angreifer – vornehmlich Australier und Neuseeländer – bei Gallipoli 180'000 Mann. Dennoch werden die letzten Truppen erst am 9. Januar 1916 abgezogen.
Gallipoli – Der Kampf um die Dardanellen (Youtube/Reportagen007)
22. April 1915: Gas!
Eine neue Waffe soll die Erstarrung der Fronten, Folge des Übergewichts der defensiven Mittel (Maschinengewehr und Stacheldrahtverhau), überwinden: Gas. Zuerst setzen die Franzosen Tränengas gegen die Deutschen ein, dann die Deutschen gegen die Russen – ohne Erfolg.
Doch am ersten Tag der Zweiten Flandernschlacht lassen deutsche Truppen bei Poelkapelle in wenigen Minuten 150 Tonnen Chlorgas aus 6000 Stahlflaschen ab. Die Folgen sind verheerend: Die nicht mit Gasmasken ausgerüsteten französischen Soldaten fliehen; tausende kommen um. Von da an gehört die Angst vor dem Gaskrieg zum Alltag der ohnehin geplagten Soldaten.
Erster Weltkrieg Gaskrieg Britische Soldaten 1918 (Wikipedia/PD)
Von Tränengas geblendete britische Soldaten im April 1918 (Wikipedia/PD)
1. Mai 1915: Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnów
Der erste grosse strategische Durchbruch gegen ein befestigtes Grabensystem im Ersten Weltkrieg ermöglicht den Mittelmächten, die russische Linie in den folgenden Wochen etwa 100 Kilometer zurückzuwerfen und am 22. Juni 1915 Lemberg zu erobern. Die russischen Truppen werden zum Rückzug aus Galizien gezwungen.
World War I: Gorlice Tarnow Offensive 1/4 (engl.) (Youtube/mengutimur)
7. Mai 1915: Versenkung der «Lusitania»
Vor der Südküste Irlands torpediert ein deutsches U-Boot die «Lusitania». Der britische Passagierdampfer – einst das grösste Schiff der Welt – sinkt; in den Fluten kommen rund 1200 Menschen um. Unter den Opfern befinden sich 128 Amerikaner. Die Proteste der USA bewegen die deutsche Führung dazu, den seit Ende Februar erklärten uneingeschränkten U-Boot-Krieg wieder einzustellen.
Erster Weltkrieg Seekrieg U-Boot-Krieg Versenkung der Lusitania 1915 (Bundesarchiv DVM 10 Bild-23-61-17)
Deutsche Illustration des Untergangs der «Lusitania» (Wikipedia/Bundesarchiv DVM 10 Bild-23-61-17)
23. Mai 1915: Italien entscheidet sich gegen die Mittelmächte
Obwohl Italien vor dem Krieg im geheimen Dreibund mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet war, tritt es nun auf Seiten der Entente in den Krieg ein. Diese verspricht Rom umfangreiche Gebietsgewinne: Italien soll nach dem Krieg das Tirol bis zum Brenner, Triest und Istrien ausser Rijeka (Fiume) sowie das nördliche und mittlere Dalmatien mit den vorgelagerten Inseln erhalten.
27. Mai 1915: Ein Gesetz für einen Genozid
Mit dem Deportationsgesetz oder Tehcir-Gesetz fasst die Regierung des Osmanischen Reiches die Umsiedlung der Armenier und Assyrer in einen juristischen Rahmen. Damit beginnt die systematische Phase des Völkermords an den Armeniern und an den Assyrern.
armenische kinder genozid
Armenische Flüchtlingskinder (PD)
22. September 1915: Herbstschlacht in der Champagne
Erneut versuchen die Armeen der Entente, die deutschen Linien mit einem durch massives Trommelfeuer vorbereiteten Frontalangriff zu durchbrechen. Bis zum 6. November rennen die Alliierten gegen die deutschen Stellungen an. Die Folge sind gewaltige Verluste, aber keine greifbaren Resultate. Dies führt zu einer innenpolitischen Krise; Premierminister René Viviani wird durch Aristide Briand abgelöst. Auch der Oberbefehlshaber der British Expeditionary Force (BEF), John French, wird am 19. Dezember durch Douglas Haig ersetzt.
14. Oktober 1915: Bulgarien schliesst sich den Mittelmächten an
Das über den Ausgang des Zweiten Balkankriegs unzufriedene Bulgarien tritt auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg ein. Die Mittelmächte erobern in der Folge bis zum Jahresende Serbien, Montenegro und Albanien und stellen so die Landverbindung zur verbündeten Türkei her. Die Entente besetzt darauf das bis dahin neutrale Griechenland.
21. Februar 1916: Die Blutpumpe läuft an
Ausgerechnet eine der stärksten französischen Stellungen wählt Erich von Falkenhayn für seine Grossoffensive, die an der Westfront die Entscheidung bringen soll: Verdun. Der deutsche Generalstabschef will die französischen Truppen in einer gewaltigen Abnutzungsschlacht «ausbluten»; zudem hofft er auf überhastete Gegenangriffe der Briten zur Entlastung der Franzosen.
Erster Weltkrieg Verdun Westfront 1916 (PD)
Deutsche Infanteristen verlassen die Schützengräben, um die Höhe Toter Mann zu erstürmen. (Wikipedia/PD)
Das mörderische Ringen um wenige Meter, das zum Inbegriff des Stellungskriegs und der Materialschlachten an der Westfront wird, dauert bis zum 19. Dezember. Bis dahin verschlingt die «Blutpumpe», wie die Soldaten Verdun nennen, hunderttausende von Menschenleben: 167'000 Franzosen und 150'000 Deutsche fallen im Kampf um die Festung.
Die Schlacht um Verdun (Youtube/GeschichtsDokus)
31. Mai 1916: Die grösste Flottenschlacht der Geschichte
Wider Erwarten spielt die deutsche Hochseeflotte im Krieg kaum eine Rolle – dabei hat der Flottenwettlauf mit Grossbritannien Unsummen verschlungen und das Verhältnis zur stärksten Seemacht nachhaltig getrübt. Nun dümpelt des Kaisers Stolz nutzlos in den Heimathäfen.

Erst durch die offensivere Seekriegsführung des deutschen Vizeadmiral Reinhard Scheer kommt es Ende Mai 1916 zu einem Gefecht mit der britischen Grand Fleet vor Jütland. An der grössten Seeschlacht von Grosskampfschiffen der Geschichte sind rund 250 Schiffe beteiligt, wobei die Briten etwa im Verhältnis 8:5 überlegen sind. Obwohl die Grand Fleet höhere Verluste erleidet, endet die Skagerrakschlacht als Patt: Der deutschen Flotte gelingt es nicht, die britische Überlegenheit zu brechen. Die britische Seeblockade bleibt bestehen.
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Ein Schiff feuert während der Skagerrakschlacht eine Breitseite ab. (PD)
4. Juni 1916: Brussilow-Offensive
Mit der Taktik, die feindliche Front auf grosser Breite zugleich anzugreifen, damit der Gegner seine Reserven nicht konzentriert einsetzen kann, erzielt der russische General Alexei Brussilow den grössten militärischen Erfolg Russlands während des gesamten Krieges. Die nach ihm benannte Offensive entlastet die westlichen Alliierten – die Deutschen müssen Truppen von Verdun abziehen – und drängt bis zum 20. September die Linien der Mittelmächte in Wolhynien und Galizien zurück. Besonders die österreichisch-ungarischen Verbände erleiden gewaltige Verluste, aber auch die Russen verlieren rund eine Million Mann. Dieser Aderlass beschleunigt die Demoralisierung des russischen Heeres.
Erster Weltkrieg Brussilow-Offensive Ostfront 1916 österreichisch-ungarische Truppen (Österreichisches Staatsarchiv)
Österreichisch-ungarische Maschinengewehr-Stellung in Wolhynien (Österreichisches Staatsarchiv)
1. Juli 1916: Die blutigste Schlacht des Krieges beginnt
Nach einer Woche Trommelfeuer beginnt die britischen Offensive an der Somme, die bis zum 18. November dauern wird. Es ist die verlustreichste Einzelschlacht des Krieges; über 620'000 Mann auf Seiten der Entente sind danach tot, verwundet oder vermisst, fast 500'000 Mann auf deutscher Seite. Allein am ersten Tag der Schlacht, dem «schwärzesten Tag der britischen Militärgeschichte», fallen über 19'000 britische Soldaten, davon 8000 in der ersten halben Stunde.

Während dieser grössten Schlacht des Ersten Weltkriegs setzen die Briten am 15. September erstmals Panzer ein. Die aus Geheimhaltungsgründen «Tanks» genannten Kampfwagen sollen das tödliche Patt des Stellungskrieges überwinden – vorerst ohne Erfolg.

«Die Höllen-Schlacht: Somme 1916», Teil 1 (Youtube/politikpestreload)
17. August 1916: Rumänien schliesst sich der Entente an
Lange ist Rumänien neutral geblieben und hat sich von beiden Kriegsparteien umwerben lassen. Unter dem Eindruck der russischen Erfolge zu Beginn der Brussilow-Offensive entschliesst sich Bukarest nun zum Kriegseintritt auf Seiten der Entente. Deren Versprechungen sind naturgemäss attraktiver: Der neue Bündnispartner soll zu Lasten von Österreich-Ungarn Siebenbürgen und das Banat erhalten. Überdies sichern die Allierten Rumänien Teile der Bukowina zu.
29. August 1916: Hindenburg und Ludendorff übernehmen
Der glücklose Generalstabschef Erich von Falkenhayn muss gehen – seine Nachfolge tritt die sogenannte 3. OHL (Oberste Heeresleitung) an. Sie besteht aus Stabschef Paul von Hindenburg, dem «Helden von Tannenberg», und dem ersten Generalquartiermeister Erich Ludendorff, dem eigentlichen Kopf des Gespanns. Die neue militärische Führung, deren Ernennung auch eine politische Wende – hin zur faktischen Militärdiktatur – bedeutet, bricht die Offensivaktionen gegen Verdun ab.
Erster Weltkrieg Hindenburg Ludendorff Kaiser Wilhelm II. 3. OHL Oberste Heeresleitung (PD)
Hindenburg, Kaiser Wilhelm II. und Ludendorff (v.l.n.r.) 1917 (PD)
Auch der Oberbefehl des französischen Heers wechselt angesichts der Erfolglosigkeit der französischen Kriegführung: Im Dezember 1916 löst General Georges Robert Nivelle General Joseph Joffre ab.
6. Dezember 1916: Bukarest fällt
Nach einer desaströsen Offensive wird die schlecht ausgerüstete und ausgebildete rumänische Armee von deutschen, österreichischen und bulgarischen Truppen zurückgedrängt. Trotz russischer Unterstützung kann Rumänien dem Angriff der Mittelmächte nicht standhalten; am 6. Dezember erobert die Heeresgruppe Mackensen die rumänische Hauptstadt.
Der Fall Rumäniens bringt die russische Armee in Schwierigkeiten, die nun mit einem Drittel ihres Truppenbestandes die neue Front im Süden verteidigen muss.
Erster Weltkrieg Rumänien Einmarsch in Bukarest 1916 (PD)
Kavallerieeinheiten der Mittelmächte marschieren in Bukarest ein. (Wikipedia/PD)
12. Dezember 1916: Friedensangebot der Mittelmächte
Nach der Eroberung Rumäniens drängt die Donaumonarchie darauf, der Entente ein Friedensangebot zu unterbreiten. Die Friedensnote an den US-Präsidenten Woodrow Wilson soll die kriegsmüden Länder der Entente entzweien und die Position der Mittelmächte gegenüber den neutralen Staaten (d.h. vornehmlich den USA) stärken.
Da der Ton der Note unverbindlich gehalten und vor allem keine Bereitschaft Deutschlands erkennbar ist, die besetzten Gebiete zu räumen, ist das Angebot für die Entente unannehmbar. Sie lehnt es am 30. Dezember ab.
Winter 1916/1917: «Steckrübenwinter»
Die britische Seeblockade trifft Deutschland schwer, das vor dem Krieg rund ein Drittel seiner Lebensmittel importieren musste. Dazu kommt eine Kartoffelfäule im Herbst 1916, so dass für den grössten Teil der Bevölkerung die Steckrübe, eine Kohlart, zum wichtigsten Nahrungsmittel wird. Es gibt Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts, Steckrübenpudding, Steckrübenmarmelade und Steckrübenbrot. Dennoch leidet ein beträchtlicher Teil der Deutschen unter der katastrophalen Ernährungslage. Zwischen 1914 und 1918 sterben in Deutschland schätzungsweise 800'000 Menschen an Hunger und Unterernährung.
Erster Weltkrieg Steckrübenwinter Mangelernährung Hungerwinter Lebensmittelknapphiet Schlange (PD)
Warteschlange vor einem Kartoffelladen (Stadtarchiv Düsseldorf)
1. Februar 1917: Uneingeschränkter U-Boot-Krieg
Auf Druck der Marineleitung und annexionistischer Kreise nimmt Deutschland den seit September 1915 abgebrochenen uneingeschränkten U-Boot-Krieg – also die Versenkung von Handelsschiffen ohne Vorwarnung – wieder auf, obwohl dadurch mit einer amerikanischen Kriegserklärung gerechnet werden muss. Die deutsche Admiralität ist indes optimistisch: England könne innerhalb von fünf Monaten «in die Knie gezwungen» werden, noch bevor ein eventueller Kriegseintritt der USA sich auswirken werde.
Am 3. Februar brechen die USA die diplomatischen Beziehungen zum Reich ab.
Erster Weltkrieg U-Boot Seekrieg (Wikipedia/PD)
Deutsches U-Boot der UC-1-Klasse mit seiner Besatzung (Wikipedia/PD)
8. März 1917: Der Zar muss abdanken
Die Februarrevolution in Russland (am 23. Februar nach dem julianischen Kalender) zwingt Zar Nikolaus II. zur Abdankung. Die Zarenherrschaft in Russland ist damit beendet. Die provisorische Regierung Kerenski führt den Krieg jedoch weiter.
16. März 1917: Rückzug auf die Siegfriedstellung
Die deutschen Truppen an der Westfront ziehen sich – für die Alliierten überraschend – auf die stark ausgebaute Siegfriedstellung zurück. Der taktische Rückzug unter dem Codenamen «Alberich» verkürzt die Frontlinien und verbessert die Lage des angeschlagenen deutschen Heeres. Der geräumte Landstrich in Nordfrankreich wird dabei systematisch verwüstet, die Bevölkerung zwangsevakuiert.
Erster Weltkrieg Siegfriedstellung Grabenkämpfe Stellungskrieg (Wikipedia/PD)
Siegfriedstellung bei Bullecourt (Wikipedia/PD)
6. April 1917: Die USA treten in den Krieg ein
Nach der Wiederaufnahme des zwischenzeitlich abgebrochenen uneingeschränkten U-Boot-Krieges erklären die USA, die ohnehin schon seit Herbst 1914 Grossbritannien unterstützen, Deutschland den Krieg. «Recht ist kostbarer als Frieden», erklärt Präsident Wilson. Neben dem «maritimen Terror» des U-Boot-Kriegs erzürnt auch die Zimmermann-Depesche das Weisse Haus: Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt in Berlin hat Mexiko Gebiete in Texas, Neu-Mexiko und Arizona versprochen, wenn es den USA den Krieg erklärt. Die Briten fangen das Telegramm ab und informieren Washington.

Der Kriegseintritt der damals schon grössten Wirtschaftsmacht verstärkt das materielle Übergewicht der ohnehin an Ressourcen bereits überlegenen Entente enorm. Im Mai führen die USA die Wehrpflicht ein. Militärisch kommt der amerikanische Kriegseintritt vorerst jedoch kaum zum Tragen.
16. April 1917: Die Offensive des «Blutsäufers»
Der neue französische Oberbefehlshaber Robert George Nivelle befiehlt eine Grossoffensive gegen den Höhenzug Chemin des Dames an der Aisne im zentralen Abschnitt der Westfront. Nivelles Rezept: Mehr vom Gleichen: mehr Soldaten, mehr Artillerie, mehr Granaten. Fast eine Million Soldaten greifen die deutschen Stellungen an. Bis zum 25. April summieren sich die französischen Verluste auf etwa 30'000 Tote und 100'000 Verwundete.
Im Mai kommt es zu Befehlsverweigerungen im französischen Heer: Mehrere französische Fronteinheiten meutern offen. Die Offensive muss abgebrochen werden.
Mitte Mai wird Philippe Pétain anstelle des «Blutsäufers» Nivelle Oberbefehlshaber der Westfront. Mit brutalen Strafmassnahmen wie Todesurteilen gelingt es ihm, die Meuterei zu beenden.
General Nivelle Erster Weltkrieg Chemin des Dames (Wikipedia/PD)
General Nivelle (Wikipedia/PD)
25. Juni 1917: Die Amerikaner kommen
Die ersten 14'000 Soldaten der American Expeditionary Forces (AEF) landen in Europa. Zunächst werden die Truppen aber ausgebildet; erst im Oktober 1917 kommen die ersten amerikanischen Einheiten an die Front. Bis März 1918 kommen drei weitere Divisonen in Frankreich an, doch erst ab Mai 1918 werden die AEF zu einem gewichtigen Faktor an der Westfront: Dann stehen etwa eine Million amerikanische Soldaten in Frankreich, die Hälfte davon an der Front.
Erster Weltkrieg American Expeditionary Forces (AEF) (Wikipedia/PD)
Soldaten der AEF nach der Schlacht von St. Mihiel im September 1918 (Wikipedia/PD)
6. Juli 1917: Interfraktioneller Ausschuss
Beginn der Parlamentarisierung des Deutschen Reiches: Im Reichstag formiert sich der sogenannte Interfraktionelle Ausschuss, ein Gremium, das die Zusammenarbeit von Sozialdemokratischer Partei (SPD), Fortschrittlicher Volkspartei (FVP) und Zentrumspartei koordinieren soll. Diese Parteien verfügen seit den Wahlen von 1912 über die Mehrheit im Parlament.
Am 14. Juli tritt Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg zurück.
31. Juli 1917: Dritte Flandernschlacht
Erneut versuchen die Alliierten, bei Ypern die deutsche Front zu durchbrechen. Bei den Kämpfen sind die Verluste enorm und die Geländegewinne gering. Den kanadischen und britischen Truppen gelingt am 6. November die Einnahme des Dorfes Paeschendaele; damit endet die Schlacht.
Bilder von der Schlacht um Paeschendaele (Youtube/Hugh Little):
15. Oktober 1917: Mata Hari hingerichtet
In den Befestigungsanlagen von Schloss Vincennes nahe Paris richtet ein französisches Erschiessungskommando die «exotische Tänzerin» Mata Hari hin. Die aus den Niederlanden stammende Margaretha Geertruida Zelle, wie sie mit bürgerlichem Namen heisst, soll für die Deutschen spioniert haben. Mit ihrem Tod im Morgengrauen beginnt der Mythos Mata Hari.
mata hari margaretha geertruida zelle (wikipedia/pd)
Mata Hari (Wikipedia/PD)
24. Oktober 1917: Schlacht von Karfreit
Österreichische und deutsche Truppen – darunter eine Kompanie unter dem Kommando eines Oberleutnants namens Erwin Rommel – durchbrechen in der Schlacht von Karfreit (Caporetto) die italienische Front am Isonzo. Der Rückzug der Italiener verwandelt sich in eine Massenflucht; ganze Truppenkontingente desertieren. Italien steht am Rand der Niederlage. Erst die Unterstützung französischer und britischer Hilfstruppen kann die Front am Piave wieder stabilisieren.
erster weltkrieg karfreit isonzo-schlacht (wikipedia/pd)
Deutsche Soldaten und italienische Gefangene (Wikipedia/PD)
7. November 1917: Oktoberrevolution
Die Bolschewiki ergreifen in der Oktoberrevolution (nach dem julianischen Kalender am 25. Oktober) die Macht in Russland. Nicht zuletzt ihre Forderung nach einem «Frieden um jeden Preis» macht sie beim kriegsmüden Volk populär. Die neuen Machthaber erlassen ein Dekret Dekret über einen «sofortigen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen» und nehmen unverzüglich Waffenstillstandsverhandlungen mit den Mittelmächten auf.
lenin oktoberrevolution 1917 (pd)
Lenin, der Anführer der Bolschewiki (PD)
8. Januar 1918: Wilsons «14 Punkte»
Präsident Wilson präsentiert mit den «14 Punkten» die Friedensbedingungen der USA. Neben konkreten Forderungen wie zum Beispiel der Räumung der besetzten Gebiete in Belgien und Frankreich oder der Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich enthält die Liste auch allgemeine («Freiheit der Meere») und zum Teil vage Punkte («autonome Entwicklung» für die Völker Österreich-Ungarns).
Am 24. Januar lehnen die Mittelmächte die «14 Punkte» ab.
President Woodrow Wilson, the 28th U.S. President, is shown in an undated file photo. President Barack Obama won the 2009 Nobel Peace Prize Friday Oct. 9, 2009. The stunning choice made Obama the thir ...
Bild: AP
US-Präsident Wilson (AP)
3. März 1918: Frieden im Osten
Nachdem die Ukraine bereits am 9. Februar einen Friedensvertrag mit den Mittelmächten geschlossen hat, unterzeichnen nun auch die Bolschewiki den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Russland wird nach Osten zurückgedrängt; der Vertrag sieht die Bildung von deutschen Vasallenstaaten von der Ukraine bis zum Baltikum vor. Überdies verschafft der Frieden im Osten den Mittelmächten militärische Handlungsfreiheit im Westen.
21. März 1918: Deutschlands letzte Offensive
Das mit aus dem Osten abgezogenen Truppen verstärkte deutsche Heer startet die Frühjahrsoffensive. Sie soll den Krieg im Westen entscheiden, bevor die Masse der amerikanischen Soldaten dort kampfbereit ist. Die insgesamt fünf verschiedenen Offensiven – die letzte beginnt im Juli – bleiben allesamt nach zum Teil beeindruckenden Anfangserfolgen stecken. Das Scheitern dieser letzten Offensive besiegelt die militärische Niederlage des Reiches, dessen Heer keine Ressourcen mehr für weitere Offensiven hat.
Ende Juni scheitert auch die letzte Offensive der Doppelmonarchie am Piave. Italien geht zum Angriff über.
erster weltkrieg westfront 1918 (br)
Deutsche Soldaten mit einem Flammenwerfer an der Westfront (PD)
Juni 1918: Die erste Welle der Spanischen Grippe
Offenbar mit den amerikanischen Truppen ist eine Krankheit, die ihren Ursprung vermutlich in Asien hatte, nach Europa gekommen: die Spanische Grippe. Ab Sommer 1918 bis 1920 erfasst sie in drei Wellen weite Teile der Welt und kostet insgesamt mindestens 25 Millionen Menschen das Leben. Besonders tödlich ist dabei die zweite Welle im Herbst 1918.

In der Schweiz fordert die Pandemie zwischen Juli 1918 und Juni 1919 knapp 25'000 Todesopfer. 1805 von ihnen sind Soldaten, davon sterben 926 während des Einsatzes gegen den Generalstreik. Die Spanische Grippe ist die grösste demografische Katastrophe der Schweiz im 20. Jahrhundert.
ZUR SDA-SERIE ZUM THEMA 100 JAHRE ERSTER WELTKRIEG VOM FREITAG, 18. JULI 2014, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Ein Truppenarzt untersucht waehrend des Ersten Weltkrieges 1914 - ...
Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV
Ein Truppenarzt untersucht Schweizer Soldaten in einem Krankenzimmer. (Keystone)
18. September 1918: Der Zusammenbruch kündigt sich an
Nach der Schlacht bei Meggido bricht die Palästinafront der osmanischen Armee vollständig zusammen. Noch bedrohlicher ist aber die Entwicklung an der Balkanfront: Bulgarien ersucht die Entente am 26. September um einen bedingungslosen Waffenstillstand. Damit droht ein entscheidender Vorstoss der Alliierten auf dem Balkan.
erster weltkrieg schlacht von meggido osmanische armee (wikipedia/pd)
Zerstörter türkischer Munitionstransport (Wikipedia/PD)
29. September 1918: Die OHL will den Waffenstillstand
Nachdem Ludendorff am Vorabend angesichts der aussichtslosen militärischen Lage einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, fordert die Oberste Heeresleitung (OHL) plötzlich die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen. Am 3. Oktober wird mit Max von Baden als Reichskanzler eine neue Regierung – erstmals auf parlamentarischer Basis – gebildet, die den amerikanischen Präsidenten Wilson um die Vermittlung eines sofortigen Waffenstillstands ersucht.
28. Oktober 1918: Die Doppelmonarchie zerfällt
Mit der Ausrufung der Republik in Prag und der Gründung der Tschechoslowakei beschleunigt sich der Auflösungsprozess der Donaumonarchie. In allen Teilen des Habsburgerreiches kommt es zu politischen Unruhen. Am 29. Oktober konstituiert sich der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben. Ende Monat kündigt Ungarn die Realunion mit Österreich auf – die Doppelmonarchie hört damit formal zu existieren auf.
Der Krieg, von dem Wien sich die Stabilisierung der morschen Monarchie versprochen hat, ist ihr zum Verhängnis geworden.
zerfall doppelmonarchie österreich-ungarn 1918 wikipedia
Karte: Das Ende Österreich-Ungarns nach den Pariser Vorortverträgen (Wikipedia/AlphaCentauri)
29. Oktober 1918: Die Flotte meutert
So stellt sich die deutsche Admiralität das Kriegsende vor: Die Hochseeflotte läuft aus und sucht die Entscheidungsschlacht gegen die britische Flotte – entweder ein Überraschungserfolg oder eher ein glorreicher Untergang. Die Mannschaften sehen es anders: Sie verweigern den Befehl zum Auslaufen. Die Meuterei entwickelt sich schnell zu einem allgemeinen Matrosenaufstand. Bis zum 7. November erfasst die November-Revolution von den Marinestützpunkten aus alle grösseren Städte in Deutschland.
Bild
Bild: wikimedia
Revolutionäre am 9. November 1918 in Berlin (Bundesarchiv Bild 183-B0527-0001-810)
9. November 1918: Die Monarchie fällt
Hunderttausende demonstrieren in Berlin, Soldaten solidarisieren sich mit den Sozialdemokraten. Reichskanzler Max von Baden verkündet die Abdankung des Kaisers, der SPD-Abgeordnete Philipp Scheidemann ruft vom Balkon des Reichstages die Republik aus – es ist das Ende der Monarchie in Deutschland.
10. November 1918: Der Kaiser flieht ins Exil
Lange zögert er; träumt noch davon, mit dem deutschen Feldheer nach dem Waffenstillstand gegen die Revolution in Deutschland marschieren zu können. Doch der glücklose Kaiser hofft vergeblich auf eine Wendung. Seine Zeit ist um. Er flieht in die Niederlande ins Exil. Dort unterschreibt er, erst am 28. November, seine Abdankungserklärung.
Erster Weltkrieg Kaiser Wilhelm II. am 10. November 1918 auf dem Weg ins Exil in den Niederlanden (Bundesarchiv Bild 183-R12318)
Kaiser Wilhelm II. (4.v.l.) an der belgisch-niederländischen Grenze (Bundesarchiv Bild 183-R12318)
11. November 1918: Generalstreik
In der Schweiz ruft das Oltener Aktionskomitee (OAK) nach einem Proteststreik am 9. November den unbefristeten Generalstreik für den 12. November aus. Der Bundesrat unterstellt darauf das Bundespersonal der Militärgesetzgebung. Bis zum 14. November schlägt die Armee den Landesstreik nieder. Dabei erschiessen die Soldaten in Grenchen drei Streikende.
Streikende Arbeiter versammeln sich waehrend des Schweizer Generalstreiks in November 1918 auf einem Platz in Bellinzona, Schweiz. (KEYSTONE/Str)
Bild: KEYSTONE
Streikende Arbeiter in Bellinzona
11. November 1918: Der Krieg ist vorbei
In einem Eisenbahnwaggon in Compiègne schliessen die Entente-Mächte mit dem Deutschen Reich einen Waffenstillstand. Damit ist der Erste Weltkrieg beendet.
waffenstillstand compiègne 1918 erster weltkrieg wikipedia/pd
Nachkolorierte Fotografie aus dem Jahr 1918

In dem vierjährigen Gemetzel sind insgesamt fast zehn Millionen Soldaten umgekommen; über zwanzig Millionen sind verwundet worden. Knapp acht Millionen Zivilisten sind zu Tode gekommen.
Erster Weltkrieg Britischer Soldatenfriedhof in Flandern
Britischer Soldatenfriedhof in Flandern (Shutterstock)

Spuren aus dem Zweiten Weltkrieg

Video: srf/Roberto Krone
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quelle: ap/afp pool / ludovic marin
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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nichtMc
21.03.2021 20:39registriert Juli 2019
Spannend!

Ich besuche immer mal wieder die WK1-Schlachtfelder. Die Ausmasse dieses Kriegs machen mich jedes Mal aufs Neue betroffen, faszinieren mich aber auch.
Die Faszination liegt bei mir darin, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie Menschen mehr oder weniger freiwillig dieses jahrelange Schlachten mitgemacht haben.
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Triple
21.03.2021 21:53registriert Juli 2015
Tragisch wie so viele junge Menschen so sinnlos ihr Leben lassen mussten. Den gefallenen eine Erinnerungsstätte zu errichten hilft vielleicht deren Schicksal wach zu halten.
1974
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Dave1974
21.03.2021 20:35registriert April 2020
Gut die Zusammenfassung, ev. falsch der Titel. Denn ob es dann eben auch dieser Tunnel war, resp. einer der Zugänge, da scheint man nicht sicher zu sein. Kein Wunder, wenn alles weitere nur noch im Geheimen untersucht wird - wenn überhaupt.
Wird übrigens mindestens europaweit so gehandhabt (mein Kenntisstand), denn Grabräuber sind tatsächlich von ganz Ost bis ganz West heute noch tätig und nicht nur hinter Mumienflüchen aus Filmen her.
Schade, dass so viele Artefakte einfach in privaten Sammlungen verschwinden, aber auch nicht verwunderlich, wenn das Geld lockt weil es fehlt.
Spannend sowieso.
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