Weihnachten ist das Fest der Besinnlichkeit und der Liebe: Wir lassen die Hektik des Alltags hinter uns und verbringen wertvolle Zeit mit Familie und Freunden. Neujahr ist ein Moment für Erneuerung und Optimismus: Wir tanken Energie und Motivation, um unsere neuen Pläne zu verwirklichen. Es gibt eigentlich nichts Schöneres als die Festtage Ende Jahr.
In der Theorie zumindest. Die Realität sieht leider oft ganz anders aus: Stress, Nervosität und Konflikte sind an der Tagesordnung, und im Hintergrund nagen Unsicherheit, Selbstzweifel und Wut – schon wieder ein Jahr vorüber und schon wieder so wenig erreicht!
Die Festtage können eine richtige Herausforderung sein. Ein Griff in die Trickkiste der Philosophie, Psychologie und Verhaltensökonomie kann uns aber helfen, die Festtage halbwegs unbeschadet zu überstehen.
Über die Festtage verbringen wir viel mehr Zeit als sonst mit der Familie, mit unseren Partnerinnen oder Partnern, oder auch mit Freunden. Dieses abnormal intime Miteinander mutiert allzu schnell zum explosiven Pulverfass. Ein Werkzeug, um dieses Konfliktpotenzial zu entschärfen, ist gezielte Verlangsamung.
In angespannten Situationen bietet es sich an, innerlich bis fünf zu zählen, bevor wir auf etwas reagieren. Damit nehmen wir uns den affektiven Wind aus den Segeln – und handeln dadurch letztlich auch so, wie es für uns selber besser ist.
Gezielte Verlangsamung als Werkzeug, um Entscheidungen zu verbessern, wurde vor einigen Jahren übrigens als Werkzeug für die Medizin eingeführt. Wenn ein Arzt schnell aus dem Bauch heraus eine Diagnose macht, weil sie sich intuitiv «richtig» anfühlt, kann das für Patienten lebensgefährlich sein. Mit aktiven Verlangsamungen kann sichergestellt werden, dass die Diagnose nicht ein schneller Bauchentscheid wird, sondern eine bewusste und wohlüberlegte Handlung. Was im Spital Leben rettet, ist auch für die Konfliktprävention über Weihnachten nicht verkehrt.
Was tun, wenn ein Konflikt bereits ausgebrochen ist? Zwischenmenschliche Konflikte nehmen schnell eine unschöne Dynamik an. Der Konflikt eskaliert immer weiter und wird zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung: Wir deuten alles, was die Gegenseite macht, als Angriff und Provokation und giessen damit selber weiter Öl ins Feuer. Diese Negativspirale können wir mit dem Prinzip des Wohlwollens (auch als Principle of Charity bekannt) durchbrechen.
Das Prinzip des Wohlwollens ist ein sprachphilosophisches Konzept, das besagt, dass wir immer in Betracht ziehen müssen, dass es in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine Art Übersetzungsfehler geben kann. Auch dann – oder besonders dann –, wenn das, was jemand sagt, komplett verrückt oder falsch oder verletzend wirkt, müssen wir uns fragen: Könnte es einen Übersetzungsfehler geben?
In der Praxis bedeutet das Prinzip des Wohlwollens, dass wir Dinge, die wir im Konflikt als negativ deuten, aktiv auch wohlwollend deuten. Wenn Frau Müller zum Beispiel bemerkt, dass ihr Sohn Hans auch dieses Jahr wieder Single sei, könnte das ein Angriff sein. Es könnte aber, wohlwollend gedeutet, auch ein aufrichtiger Ausdruck sein, dass die Mutter sich wünscht, Hans würde mit jemandem sein Glück finden.
Das Prinzip des Wohlwollens bremst unsere irrationale Neigung, im Konflikt alles negativ zu deuten. Dadurch wird der Konflikt ganz automatisch deeskaliert.
Wir alle neigen dazu, uns mit anderen Menschen zu vergleichen. Das ist ein ganz menschlicher Reflex, tut uns aber oft nicht gut: Wenn wir uns häufig mit anderen Menschen vergleichen, macht uns das tendenziell unglücklich. Gerade über die Festtage kann das ein Problem werden. Wir verfolgen den Alltag unserer Freunde auf Facebook und Co. und bestaunen ihr bilderbuchartiges Leben. Hinzu kommen auch die Reichen und Schönen – all die Promis, die wir kennen, die aber keine Ahnung haben, wer wir Nobodys sind. Soziale Vergleiche im Social-Media-Zeitalter sind ein Rezept zum unglücklich Sein.
Anstatt uns mit anderen zu vergleichen, ist es viel nützlicher, aktiv Dankbarkeit auszudrücken. Das kann bedeuten, dass wir Menschen aktiv danken, die uns im vergangenen Jahr geholfen haben oder für uns sonstwie wertvoll waren. Dankbarkeit können wir aber auch für uns selber ausdrücken, indem wir zum Beispiel aufschreiben, wofür wir im vergangenen Jahr dankbar waren. Auf diese Art aktiv Dankbarkeit auszudrücken ist eine einfache und wirksame Methode, um unser Glück zu steigern.
Über die Festtage kommen wir nicht umhin, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Oft haben wir dabei die Tendenz, auf das Negative zu fokussieren: All die kleinen und grossen Misserfolge; all die Ziele, die wir nicht erreicht haben; all die schwierigen Momente, die wir erlebt haben. Unser Gehirn hat die Angewohnheit, Negatives stärker in den Vordergrund zu rücken als Positives.
Beim Jahresrückblick müssen wir darum auch aktiv nach den schönen, positiven Dingen im vergangenen Jahr suchen. Um unsere Resilienz zu stärken, kann es zudem helfen, in den negativen Dingen des letzten Jahres Positives zu suchen. Was habe ich aus Fehlern gelernt? Wie haben mich Misserfolge stärker gemacht?
Das neue Jahr nehmen wir gerne als Anlass, um Neujahrsvorsätze zu formulieren. Das ist grundsätzlich eine gute Sache, denn das neue Jahr als symbolischer Neuanfang kann uns motivieren, Veränderung anzustreben. Ziele zu setzen, motiviert uns zudem, diese auch erreichen zu wollen.
Leider ist die Halbwertszeit von Neujahrsvorsätzen eher kurz; wir scheitern meistens schon nach wenigen Wochen oder Monaten. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass wir unsere Vorsätze nicht sehr gut formulieren. Ein paar Tipps für schlaue Neujahrsvorsätze:
Während der Festtage wird uns oft bewusst, wie viel Groll wir in uns tragen: Wie viele Menschen uns im vergangenen Jahr schlecht behandelt haben, wie verletzend und wie unfair sie zu uns waren.
Groll zu hegen bedeutet, dass wir ein ganzes Bündel negativer Emotionen mitschleppen. Diese Emotionen sind, rational gesehen, nutzlos, weil unser Groll das Geschehene nicht ungeschehen macht. Wenn wir verzeihen, löst sich dieser Knoten und wir hören auf, Energie in etwas zu investieren, was nicht nützen kann.
Menschen zu verzeihen ist darum das beste Weihnachtsgeschenk, das wir uns selber machen können. Der positive Effekt des Verzeihens erschöpft sich dabei nicht in der emotionalen Entlastung. Indem wir verzeihen, werden wir deutlich glücklicher und sogar gesünder. Zu verzeihen bedeutet in erster Linie also, uns selber etwas Gutes zu tun.